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Dienstag, 13. August 2013

Dromedare als Übertragungsquelle für gefährliche Virusinfektion unter Verdacht

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Universitätsklinikums Bonn hat in Dromedaren Antikörper gegen das MERS-Coronavirus gefunden. Der Erreger ist mit dem SARS-Virus verwandt und kann beim Menschen lebensgefährliche Atemwegsinfektionen hervorrufen. Im Mittleren Osten sind bislang 46 Menschen an der Erkrankung gestorben. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung findet nur selten statt. Andere Infektionsquellen wurden bisher aber nicht gefunden. Die neuen Erkenntnisse zeigen nun, dass möglicherweise Dromedare an der Virusübertragung beteiligt sind. Die Studie ist in der Zeitschrift 'The Lancet Infectious Diseases' erschienen.


Das MERS-Coronavirus wurde erstmals 2012 in Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Das Kürzel steht für „Middle East Respiratory Syndrom“, da alle bisherigen Fälle einen Bezug zum Mittleren Osten hatten. Bislang wurden der Weltgesundheitsorganisation WHO 91 Erkrankungen gemeldet, 46 davon mit tödlichem Ausgang. Die Dunkelziffer ist aber vermutlich höher: Experten gehen davon aus, dass es eine Vielzahl unentdeckter Fälle gibt und mehr als 1.000 Menschen betroffen sein könnten.
Über die Ansteckungswege herrscht noch Unklarheit. Die neue Studie deutet nun jedoch auf Dromedare als mögliche Übertragungsquelle hin: Die Virologen haben insgesamt 50 Proben dieser Tiere aus verschiedenen Herkunftsgebieten im Oman getestet. Das Sultanat gilt als MERS-Risikogebiet, auch wenn hier bislang noch keine menschlichen Infektionen nachgewiesen wurden.


Bei ihren Analysen fanden die Wissenschaftler im Blut sämtlicher Tiere Antikörper gegen das MERS-Virus. Das Immunsystem bildet Antikörper, wenn es mit Krankheitserregern in Kontakt kommt. Die getesteten Dromedare scheinen also eine MERS-Virusinfektion durchlaufen zu haben. Die hohen Antikörperkonzentrationen sprechen zudem für eine relativ frische Ansteckung. Die Forscher konnten das Virus selbst nicht nachweisen. „Für unsere Tests standen größtenteils nur Blutproben zur Verfügung“, bedauert Dr. Marcel Müller vom Institut für Virologie der Universität Bonn. „Coronaviren befinden sich jedoch vor allem in Atemwegssekreten und im Kot.“


Die Forscher untersuchten auch 105 Dromedarproben von den Kanarischen Inseln. In 15 Fällen konnten sie dabei ebenfalls MERS-Antikörper nachweisen, allerdings in weit geringeren Konzentrationen. In 160 Blutproben von Rindern, Schafen und Ziegen aus den Niederlanden, Spanien und Chile wurden sie dagegen nicht fündig.

Enger Kontakt zwischen Dromedar und Mensch

Dromedare sind im Mittleren Osten weit verbreitet. Sie transportieren schwere Lasten und dienen als Milch- und Fleischlieferanten. In Wettbewerben eingesetzte Renn-Dromedare können zudem Millionenerlöse erzielen. MERS-infizierte Tiere könnten durch ihren engen Kontakt zum Menschen zumindest für einen Teil der menschlichen Erkrankungen verantwortlich sein. Es kommen aber weiterhin auch Ziegen und andere Nutztiere als Übertragungsquelle in Betracht.


„In nächster Zeit sollten dringend umfangreiche Untersuchungen an Nutztieren aus der Region stattfinden. Um weitere mögliche Infektionsquellen zu finden, benötigen wir unbedingt mehr Proben“, appelliert Müller an die betroffenen Länder. Nur so sei es möglich, den genauen Übertragungsweg des Virus zu klären.


Als eigentliches Virenreservoir vermuten die Wissenschaftler derzeit Fledermäuse. Die Dromedare seien mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Zwischenwirt. Bisherige Erbgutanalysen sprechen dafür, dass der MERS-Erreger nahe mit zahlreichen anderen Fledermausviren verwandt ist. Dass sich Menschen direkt bei Fledermäusen anstecken, hält Müller aber für unwahrscheinlich, da direkte Kontakte eher selten sind.
Relativ klein ist momentan auch das Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch. Die WHO schätzt den so genannten R0-Wert auf 1 oder geringer, d.h. ein Patient steckt im Schnitt maximal eine weitere Person an. Ein Schneeballeffekt mit einer explosionsartigen Zunahme von Krankheitsfällen kann so nicht entstehen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn der Erreger mutiert.

Originalpublikation:
Middle East respiratory syndrome coronavirus neutralising serum antibodies in dromedary camels: a comparative serological study; Chantal Reusken, Bart Haagmans, Marcel Müller, Carlos Gutierrez, Gert-Jan Godeke, Benjamin Meyer, Doreen Muth, Stalin Raj, Laura Smits-De Vries, Victor Corman, Jan-Felix Drexler, Saskia Smits, Yasmin El Tahir, Rita De Sousa, Janko van Beek, Norbert Nowotny, Kees van Maanen, Ezequiel Hidalgo-Hermoso, Berend-Jan Bosch, Peter Rottier, Albert Osterhaus, Christian Gortázar-Schmidt, Christian Drosten, Marion Koopmans; The Lancet Infectious Diseases (DOI: 10.1016/S1473-3099(13)70164-6).


Dienstag, 2. Juli 2013

Anti-Aging-Lebensmittel?

Der Wunsch der Menschen, das Altern hinauszuzögern, ist uralt. Wie schön wäre es, das durch Auswahl spezieller Lebensmittel zu erreichen? Aus der Volksmedizin sind diverse "Mittel" bekannt. So soll beispielsweise der regelmäßige Verzehr von Joghurt die Ursache für das hohe Lebensalter bulgarischer Hirten sein. Auch Knoblauch und Ginseng werden immer wieder im Zusammenhang mit langem Leben genannt. In jüngerer Zeit fokussiert sich das Interesse auf die Antioxidanzien, die dem Altern, möglicherweise einem Oxidationsprozess, entgegen wirken sollen.

Für positive Wirkungen gegen das Altern werden vor allem sekundäre Pflanzenstoffe oder Mikronährstoffe verantwortlich gemacht, wie Carotinoide, Flavonoide, Proanthocyanidine und andere phenolische Substanzen. Sie kommen in relativ geringen Gehalten in der Pflanze vor, haben keinen Nährwert, dienen ihrem Wirt jedoch in anderer Weise, indem sie beispielsweise durch Farbe oder Geruch Insekten abwehren oder anlocken.

Der Frage für wissenschaftliche Beweise solcher Behauptungen gingen Wissenschaftler der Universitäten von Kaohsiung (Taiwan) und New Brunswick (USA) in einer umfassenden Literaturstudie nach. Die Autoren werteten fast 200 internationale Studien aus. Bisher nachgewiesen ist nur, dass die eingeschränkte bzw. kontrollierte Energiezufuhr einen offenbar lebensverlängernden Effekt hat. Einzelne isolierte Lebensmittelinhaltsstoffe zeigen in den durchgeführten Studien im Einzelfall durchaus auch positive Wirkungen auf bestimmte Stoffwechselvorgänge und könnten damit zu einer Verzögerung des Alterns beitragen. Da es sich aber überwiegend um Tierversuche oder in vitro-Studien an Zell- oder Gewebeproben handelt, bedürfen solche Behauptungen auf jeden Fall noch umfangreicher Absicherung durch klinische Studien an Menschen.

"Altern" generell bedeutet eine Veränderung der physiologischen Vorgänge im Körper, insbesondere der zellulären Signalübertragung. Davon sind das energetische Gleichgewicht, der Zellstoffwechsel und die Stressabwehr betroffen. Und ob da einzelne Substanzen eingreifen können, bleibt beim jetzigen Stand der Wissenschaft fraglich.


Susanne Großmann-Kühnau, www.aid.de

Sonntag, 2. Juni 2013

Hohe Kosten statt medizinischer Fortschritt

Lediglich zwei der Arzneimittel, die 2010 und Anfang 2011 neu auf den deutschen Markt gekommen sind, stellen einen relevanten therapeutischen Fortschritt dar. Zu diesem Ergebnis kommt der Innovationsreport 2013, den Wissenschaftler der Universität Bremen im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) erstellt haben. Die Studie hat insgesamt 23 Medikamente mit neuen Wirkstoffen daraufhin untersucht, ob bereits alternative Therapien zur Verfügung stehen, ob die Arzneimittel einen (Zusatz-)Nutzen für die Patienten haben, und wie hoch die Kosten im Vergleich zu den verfügbaren Arzneimitteln ausfallen.

"Der Innovationsreport zeigt einmal mehr, dass man nicht jedes neue Arzneimittel mit echtem medizinischen Fortschritt gleichsetzen darf. Denn nicht alles, was neu ist, ist auch tatsächlich besser", erklärt Dr. Jens Baas, Vorsitzender des TK-Vorstands. "Mit der Studie liegt erstmals eine strukturierte Übersicht vor, welche innovativen Medikamente überhaupt dazu beitragen, die Qualität der medizinischen Versorgung im Bereich der Arzneimitteltherapie zu verbessern. Der Report soll daher Ärzten, aber auch Versicherten eine bessere Orientierung geben, wenn es um den Einsatz von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen geht", so Baas weiter.

AMNOG fördert echte Innovationen

Neben der Versorgungsqualität befasst sich der Innovationsreport auch mit den Kosten der neu zugelassenen Medikamente. "Drei von vier Medikamenten, die wir unter die Lupe genommen haben, waren teurer als die bereits auf dem Markt befindlichen Präparate", erläutert der Leiter der Studie, Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. "Und das, obwohl in den allermeisten Fällen überhaupt kein zusätzlicher Nutzen für die Patienten nachgewiesen werden konnte." Erst mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) hat der Gesetzgeber ein Verfahren etabliert, das die Frage beantworten soll, welcher Preis für ein neues Medikament angemessen ist. Die in der Studie untersuchten Medikamente wurden jedoch im Jahr vor beziehungsweise kurz nach Inkrafttreten des AMNOG in Deutschland zugelassen. "Das nachgewiesen geringe Innovationspotenzial dieser Arzneimittel macht deutlich: Die AMNOG-Nutzenbewertung ist ein notwendiges Instrument, um echte therapeutische Innovationen zu fördern", sagt Arzneimittelexperte Glaeske. "Langfristig betrachtet, lassen sich damit beitragssatzrelevante Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung erzielen."

Neue Arzneimittel: Ärzte verordnen regional unterschiedlich

Darüber hinaus zeigt die Studie auch, dass Ärzte in Deutschland sehr unterschiedlich mit Innovationen umgehen. So verordnen Mediziner in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im Saarland häufiger neue Arzneimittel als ihre Kollegen in anderen Bundesländern. Außerdem hat eine ergänzende TK-Auswertung ergeben, dass der erste vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertete Wirkstoff Ticagrelor bei jedem dritten Patienten falsch verordnet wurde. Das heißt: Ärzte verschreiben den Wirkstoff auch bei solchen Erkrankungen, bei denen das Medikament keinen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu bereits verfügbaren Therapien aufweist. "Aus diesem Grund unterstützt die TK die Ärzte mit verschiedenen Instrumenten, um eine möglichst wirksame, sichere und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie zu gewährleisten", so TK-Chef Baas.

TK unterstützt Ärzte beim Einsatz neuer Arzneimittel

Dazu gehört bezogen auf den Umgang mit neuen Medikamenten neben dem Innovationsreport auch der TK-Arzneimittelreport (AMR). Mit dem AMR erhalten niedergelassene Mediziner auf Wunsch für jedes Quartal einen individuellen Verordnungsreport von der TK. Diese Übersicht wird unter anderem ergänzt durch kompakte Zusammenfassungen der Ergebnisse zur frühen Nutzenbewertung des G-BA. Außerdem zeigt der AMR den Ärzten an, ob sie neue Arzneimittel tatsächlich bei solchen Erkrankungen verordnet haben, bei denen das Präparat einen echten Zusatznutzen aufweist.

Mehr Informationen zum Innovationsreport 2013 (Webcode "520604") sowie zum AMR (Webcode "480446") sind im Internet unter www.tk.de zu finden. Dort stehen sowohl eine Lang- als auch eine Kurzfassung des Innovationsreports zum Download bereit.

Freitag, 31. Mai 2013

Forscher enträtseln angeborenen Immunmechanismus

Wissenschaftler der Universität Bonn und der LMU München haben einen angeborenen Immunmechanismus enträtselt, der unter anderem bei Virenattacken zum Einsatz kommt. Demnach bildet die befallene Zelle einen exotischen Botenstoff, sobald sie verdächtiges Erbgut entdeckt, das von einem Erreger stammen könnte. Dadurch alarmiert sie die Immunabwehr. Die Studie ist online in der Zeitschrift Nature erschienen (DOI: 10.1038/nature12306).

Viren schleusen bei einem Angriff ihr Erbgut in die von ihnen attackierten Zellen ein. Sie bringen ihre Opfer so unter ihre Kontrolle. Doch diese nehmen das in der Regel nicht wehrlos hin: Ein angeborener Immunmechanismus ermöglicht es den angegriffenen Zellen, verdächtige Erbsubstanz zu erkennen. So können sie rechtzeitig die körpereigenen Abwehrtruppen alarmieren, bevor sich die Infektion ausbreitet.

Wie das genau funktioniert, war bislang unbekannt. Man kannte zwar die Alarmsirene – ein Protein namens STING (englisch: Stich), das in bestimmten Bereichen des Zellkörpers vorkommt. Vor kurzem wurde zudem ein Sensor identifiziert, der verdächtiges Erbgut in Form von Desoxyribonukleinsäure (DNA) in der Zelle aufspüren kann. Doch wie gelangt das Signal vom Sensor zur Sirene?

Die Nature-Studie gibt auf diese Frage eine Antwort. Demnach stellt der Sensor – ein Enzym namens cGAS – bei Kontakt mit dem Erbmolekül DNA einen neuartigen, „exotischen“ Botenstoff her. Wenn dieser Botenstoff an das STING-Protein andockt, wird dadurch der Alarm ausgelöst. Damit startet eine Art Großrazzia, in der Spezialeinheiten des Immunsystems ganz gezielt Jagd auf Viren und ähnliche Erreger machen.

DNA-spezifisches Alarmsignal

Interessant ist dieser Mechanismus auch deshalb, weil Immunologen STING bislang aus einem anderen Zusammenhang kannten. Das Protein schlägt nämlich auch dann Alarm, wenn es in Kontakt mit bestimmten bakteriellen Botenstoffen kommt. Es spielt also sowohl bei der Abwehr von fremder DNA als auch bei der Bekämpfung von Bakterien eine bedeutende Rolle.

Ursprünglich nahm man an, dass cGAS nach Kontakt mit DNA eine Substanz herstellt, die der aus Bakterien ähnelt. Die Bonner Forscher konnten nun jedoch zeigen, dass der von cGAS synthetisierte Botenstoff einen kleinen, aber ganz entscheidenden Unterschied aufweist. Eine bestimmte molekulare Verknüpfung sieht bei ihm anders aus als ursprünglich vermutet. Ein scheinbar kleines Detail, das jedoch große Konsequenzen hat: „Jetzt wissen wir, warum das menschliche STING ganz anders auf den zelleigenen cGAS-Botenstoff reagiert als auf die Bakterienprodukte“, erläutert Dr. Andrea Ablasser vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikum Bonn. Es gibt also ein DNA-spezifisches Alarmsignal, das die Zelle dazu bringt, ihren Stachel gegen Viren zu benutzen.

Die Bonner Kooperationspartner an der Ludwigs-Maximilian-Universität (LMU) München konnten zudem aufklären, wie cGAS diesen Exoten synthetisiert. „Wir konnten zeigen, welche räumliche Struktur cGAS bei Kontakt mit DNA annimmt“, erläutert der LMU-Biochemiker Professor Dr. Karl-Peter Hopfner. „Diese Information hat uns geholfen, den Syntheseweg zu rekonstruieren.“

Langfristig könnten die Ergebnisse der Arbeit den Zugang zu neuen Therapien eröffnen oder auch neuartige Impfungen ermöglichen. „Es ist beispielsweise denkbar, spezifische Pharmaka zu entwickeln, mit denen wir diesen Signalweg manipulieren können“, erklärt der Leiter der Studie Professor Dr. Veit Hornung. „Wir könnten so das Immunsystem ganz gezielt in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen oder aber – etwa im Falle von Autoimmunkrankheiten – seine Abwehrreaktion unterdrücken.“

Freitag, 26. April 2013

Auf Knopfdruck schmilzt das „Hüftgold“


Wissenschaftler träumen seit langem davon, unerwünschte weiße Fettzellen in braune umzuwandeln und auf diese Weise überflüssige Pfunde einfach abschmelzen zu lassen. Forscher der Bonner Universität sind nun diesem Ziel ein Stück näher gekommen: Sie entschlüsselten in Mäusen einen „Kippschalter“, der die Fettverbrennung deutlich ankurbeln kann. Die Ergebnisse werden jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.

Viele Menschen in den Industrienationen kämpfen mit Übergewicht - doch Fett ist nicht gleich Fett. Im „Hüftgold“ stecken vor allem lästige weiße Fettzellen, die das Zuviel an Nahrung speichern. 

Kultivieren Fettzellen im Labor:
Prof. Dr. Alexander Pfeifer (links) und Doktorand Yong Chen vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn. (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn


Genau umgekehrt wirken dagegen braune Fettzellen, die als erwünschte „Heizaggregate“ des Körpers überschüssige Energie verbrennen. Wissenschaftler der Universität Bonn um Prof. Dr. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie, erforschen seit Jahren im Tiermodell, wie sich das unerwünschte weiße Fett in begehrtes braunes umwandeln lässt. „Damit können möglicherweise überflüssige Pfunde einfach abgeschmolzen und Fettleibigkeit bekämpft werden“, sagt Prof. Pfeifer.

Eine Art „Kippschalter“ kurbelt die Fettverbrennung an

Die Forscher haben nun an Mäusen eine Art „Kippschalter“ entschlüsselt, der für die „Bräunung“ der weißen Fettzellen wichtig ist. Wenn der Genregulator Micro-RNA 155 an einen bestimmten Transkriptionsfaktor bindet, wird die Umwandlung von weißen in braune Fettzellen unterbunden. Gewinnt dagegen der Transkriptionsfaktor die Oberhand, wird braunes Fett vermehrt produziert und dadurch die Fettverbrennung im Körper angekurbelt. Micro-RNAs befinden sich im Erbgut der Zellen und regulieren sehr schnell und effizient die Aktivität von Genen. Die Transkriptionsfaktoren sind dagegen dafür zuständig, dass die Befehle im Erbgut des Zellkerns abgeholt und umgesetzt werden.

In Knockout-Mäusen war das Gen für Micro-RNA 155 stumm

Die Forscher der Universität Bonn und ihre Kollegen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie von der Universität Regensburg arbeiteten mit so genannten transgenen und Knockout-Mäusen, bei denen das Gen für Micro-RNA 155 entweder vermehrt gebildet wurde oder stummgeschaltet war. „Der Mechanismus wurde bereits in Gang gesetzt, wenn die Micro-RNA 155 in den Mäusen lediglich halbiert war“, berichtet Erstautor Yong Chen, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Pfeifer. Die Mäuse verfügten dann über deutlich mehr braune Fettzellen als die Kontrollgruppe - und hatten sogar weiße in braune Fettzellen umgewandelt.

Hinweise auf die Ursachen von Fettstoffwechselerkrankungen

Die Mikro-RNA fungiert als Gegenspieler zu den braunen Fettzellen. „Solange ausreichend von der Mikro-RNA 155 vorhanden ist, wird die Produktion der braunen Fettzellen blockiert“, sagt Chen. Erst wenn ein bestimmtes Maß unterschritten wird, löst sich diese Bremse, der Bauplan für das braune Fett kann von der Zelle ausgelesen und umgesetzt werden - die erwünschten Fettverbrenner können sich entwickeln. Diese Erkenntnisse helfen den Wissenschaftlern, die Ursachen von Fettstoffwechselerkrankungen besser zu verstehen.

Hoffnung auf neue Therapien gegen Fettleibigkeit

Die Wissenschaftler der Bonner Universität sehen in ihren Resultaten einen potenziellen Ansatzpunkt für Medikamente gegen Fettleibigkeit. Die Forscher haben Hinweise darauf, dass sich die Ergebnisse womöglich von der Maus auf den Menschen übertragen lassen. So fanden zum Beispiel Leipziger Forscher in stark übergewichtigen Patienten erhöhte Mengen an Mikro-RNA 155. Das deckt sich mit den Erkenntnissen aus den Tiermodellen: Viel Mikro-RNA 155 geht mit geringerer Fettverbrennung einher. „Wir befinden uns jedoch noch im Stadium der Grundlagenforschung“, sagt Prof. Pfeifer. Der Weg zu geeigneten Medikamenten sei noch weit.


Publikation: miR-155 regulates differentiation of brown and beige adipocytes via a bistable circuit, Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms2742

Freitag, 5. April 2013

Was geschieht mit dem Fett im Körper?

Erfolgreiche Wissenschaftler: Prof. Dr. Michael Hoch, Prof. Dr. Thorsten Lang, Prof. Dr. Sven Burgdorf, Prof. Dr. Christoph Thiele und Prof. Dr. Waldemar Kolanus (von links). (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn


Zusammenhang zwischen Fettstoffwechsel und Krankheiten

Der Sonderforschungsbereich 645 an der Universität Bonn untersucht den Zusammenhang zwischen Fettstoffwechsel und Krankheiten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den SFB nun für weitere vier Jahre verlängert. Mehr als zehn Millionen Euro fließen in das fakultätsübergreifende, exzellente Forschungsprogramm, an dem rund 100 Wissenschaftler der Universität Bonn, des Forschungszentrums caesar und der Hebrew University in Jerusalem beteiligt sind. Die Wissenschaftler wollen in der neuen Förderperiode noch tiefer die Ursachen von Fettleibigkeit und Lipid-Speicherkrankheiten erforschen.

Die Menschen in den Industrienationen werden immer dicker – damit steigt das Risiko, etwa Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes zu bekommen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Fettstoffwechsel, der als ein wichtiges Thema im Sonderforschungsbereich „Regulation und Manipulation von biologischer Informationsübertragung in dynamischen Protein- und Lipidumgebungen“ (SFB 645) untersucht wird. Die Forscher wollen zum Beispiel im Detail verstehen, wie Lipide im Fettgewebe gespeichert und bei Energiebedarf wieder freigesetzt werden“, erklärt Prof. Dr. Michael Hoch, SFB-Sprecher und Geschäftsführender Direktor des Life & Medical Sciences (LIMES) Instituts der Universität Bonn. „Es handelt sich dabei um Grundlagenforschung, aber mit unmittelbarem Bezug zu Erkrankungen, die genetische Ursachen haben oder durch kalorienreiche Ernährung auftreten.“

Mehr als zehn Millionen Euro fließen in das Forschungsprogramm

Der SFB wird bereits seit dem Jahr 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und geht nun in die zweite Verlängerung. „Die Konkurrenz der Antragsteller war diesmal sehr groß - insbesondere wegen vieler Anträge, die im Nachgang zur Exzellenzinitiative bei der DFG eingereicht wurden“, sagt Prof. Hoch. „Die Gutachter haben uns bescheinigt, dass unser SFB im Gebiet der Lipid-Forschung international sichtbar und anerkannt ist. Dies war ein großes Kompliment für unsere Forschung und spornt uns auch für die nächsten vier Jahre enorm an.“ Ab Januar werden mehr als zehn Millionen Euro in das fakultätsübergreifende Forschungsprogramm fließen.

Rund 100 Wissenschaftler forschen am Lipidstoffwechsel

Rund 100 Doktoranden, Post-Doktoranden, Assistenten und technische Mitarbeiter werden in insgesamt 17 Forschungsprojekten und zwei zentralen Technologie-Plattformen, der Massenspektrometrie und Genomik, gemeinsam arbeiten. „Wir stellen für alle beteiligten Forschergruppen eine neuartige Markierungs-Technologie bereit, die ohne Radionuklide auskommt“, berichtet LIMES-Forscher Prof. Dr. Christoph Thiele. Damit lässt sich dann die Umwandlung der Lipide im Stoffwechselprozess verfolgen.

Im SFB kooperieren Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen

Im SFB kooperiert das LIMES-Institut fachübergreifend mit Forschern aus der Zellbiologie und Medizin der Universität Bonn sowie der Hebrew University in Jerusalem. Die Verlängerung durch die DFG stärkt zudem die Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum caesar. „In den letzten Jahren ist in Bonn ein zell- und neurobiologisches Cluster entstanden, in dem caesar mit seinen interdisziplinären Gruppen, seiner hervorragenden Infrastruktur und kreativen wissenschaftlichen Methoden die exzellente Forschung der Universität Bonn sinnvoll ergänzen kann“, sagt der Wissenschaftliche caesar-Direktor Prof. Dr. Ulrich Benjamin Kaupp.

Potenzielle Ansatzpunkte für neue Therapien

Eine weitere Anbindung der Grundlagenforschung im SFB zu klinischen Anwendungen sind Speicherkrankheiten, die durch Fehlfunktionen im „Lysosom“ – dem „Verdauungsapparat“ der Zellen – ausgelöst werden. Meist sind die Defekte genetisch bedingt. Betroffen von den teils schwer verlaufenden Krankheiten sind auch Nervenzellen und Gehirn, weil dort besonders viele Lipide gespeichert sind. „Wir haben im SFB Tiermodelle und Hemmstoffe für diese Krankheiten entwickelt, die wir nun durch die Verlängerung der Förderperiode weiter für die Forschung nutzen können“, macht Prof. Hoch deutlich.

Ein neues Gebäude beflügelt den erfolgreichen SFB

In der aktuellen Förderperiode zogen die LIMES-Forscher in ihr neues für Forschung und Lehre maßgeschneidertes Gebäude an der Carl-Troll-Straße. „Die meisten der rund 170 LIMES-Mitarbeiter sind in irgendeiner Weise in den SFB 645 involviert“, sagt Prof. Hoch. Für die neue Phase steht die Erweiterung des LIMES-Gebäudes um einen Trakt bevor. Winkelförmig soll hinter dem Gebäude ab dem Herbst 2013 ein ebenso hochmoderner Anbau mit Labors, Lehr- und Veranstaltungsräumen entstehen. „Das wird unsere erfolgreiche Forschung weiter beflügeln. Wir werden neue LIMES-Arbeitsgruppen unterbringen können, es werden zusätzliche Technik-Plattformen entstehen, und wir werden auch die Ausbildung der LIMES-Studenten und -Nachwuchswissenschaftler weitgehend im Institut durchführen können“, sagt Prof. Hoch.

Ein Videopodcast stellt das LIMES vor:
http://www.uni-bonn.tv/podcasts/20120722_BE_LIMES_V4.mp4/view



Limes-10012013

Donnerstag, 4. April 2013

Viagra wandelt Fettzellen um


Forscher der Universität Bonn behandelten Mäuse mit Viagra und machten eine erstaunliche Entdeckung: Das Potenzmittel wandelt unerwünschte weiße Fettzellen um und könnte dadurch möglicherweise das lästige „Hüftgold“ einfach abschmelzen lassen. Vermutlich verringert der Wirkstoff zudem das Risiko für Folgeerkrankungen der Fettleibigkeit. Die Ergebnisse werden nun in „The Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology“ (FASEB) vorgestellt.

Mit dem Potenzmittel Sildenafil - besser als „Viagra“ bekannt - werden Erektionsstörungen behandelt. Der Wirkstoff greift in eine Signalkette des Botenstoffs cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) ein, der das Einströmen von Blut und damit die Erektion ermöglicht. Forscher wurden schon vor einiger Zeit auf eine weitere Wirkung aufmerksam: Fettleibige Mäuse verlieren an Gewicht, wenn sie über einen längeren Zeitraum Sildenafil bekommen. Allerdings war die Ursache bislang unklar. Licht ins Dunkel brachten nun Wissenschaftler der Universität Bonn. „Wir erforschen seit Längerem die Wirkung des cGMP auf Fettzellen“, berichtet Prof. Dr. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn. „Deshalb war das Sildenafil für uns ein potenziell interessanter Kandidat.“

Viagra wandelt unerwünschte weiße in beige Fettzellen um

Das Team um Prof. Pfeifer testete zusammen mit dem Pharmazentrum der Universität Bonn, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung die Wirkung des Sildenafil auf Fettzellen an Mäusen. Die Forscher verabreichten den Nagern über sieben Tage hinweg das Potenzmittel. „Die Effekte waren ganz erstaunlich“, sagt Prof. Pfeifers Mitarbeiterin Dr. Ana Kilic. Sildenafil verwandelte in den Tieren verstärkt die weißen Fettzellen, die auch in den „Problemzonen“ des Menschen stecken, in beige Fettzellen. „Beige Fettzellen verbrennen die Nahrungsenergie und setzen sie in Wärme um“, sagt Prof. Pfeifer. Weil die beigen Zellen Fett einfach abschmelzen und damit Adipositas bekämpfen können, sind sie die Hoffnungsträger der Forscher.

Günstiger Einfluss auf Entzündungsreaktionen

Die Wissenschaftler machten darüber hinaus noch eine interessante Beobachtung. Werden weiße Fettzellen weiter „gemästet“, nehmen sie in ihrer Größe deutlich zu und können dann auch Botenstoffe ausschütten, die Entzündungen verursachen und für die Gesundheit problematisch sind. Aus solchen Entzündungsreaktionen können sich zum Beispiel Herzkreislauferkrankungen mit Herzinfarkt und Schlaganfall als Folgen, Krebs und Diabetes entwickeln. „Das Sildenafil sorgte in den Mäusen offenbar dafür, dass die Fettzellen nicht so leicht auf diese schiefe Bahn geraten können“, berichtet Prof. Pfeifer. Die Entwicklung der weißen Zellen schien insgesamt gesünder zu verlaufen.

Mehr als eine halbe Milliarde Übergewichtige weltweit
Weltweit leiden mehr als eine halbe Milliarde Menschen unter Übergewicht. Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus der Studie interessante Ansatzpunkte für die Wirkstoffforschung: „Sildenafil kann nicht nur Erektionsprobleme mindern, sondern auch die Risiken von Übergewicht positiv beeinflussen“, sagt Prof. Pfeifer. Die Wissenschaftler haben vielleicht einen Hebel gefunden, mit dem sich die unerwünschten weißen in erwünschte beige (braun-artige) Fettzellen umwandeln lassen, die überflüssige Pfunde purzeln lassen. Außerdem ließe sich unter Umständen das Risiko für Folgeerkrankungen der Fettleibigkeit verringern. „Das muss sich jedoch erst noch in weiteren Untersuchungen erweisen“, ergänzt Dr. Kilic.

Warnung vor vorschneller Anwendung

Die Wissenschaftler warnen dringend vor einem Trugschluss: Wer sich über Weihnachten mehr Pfunde angefuttert hat, als ihm lieb sind, sollte keinesfalls in der Hoffnung zu Sildenafil greifen, um damit überflüssiges Fett schnell wieder los zu werden. „Wir befinden uns im Stadium der Grundlagenforschung – die Untersuchungen erfolgten bislang ausschließlich an Mäusen“, betont Prof. Pfeifer. Bis möglicherweise geeignete Medikamente zur Verringerung der weißen Fettzellen für den Menschen gefunden werden, ist es noch ein sehr weiter Weg.

Publikation: Increased cGMP promotes healthy expansion and browning of white adipose tissue, „The Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology“ (FASEB), Internet: http://www.fasebj.org/content/early/2013/01/08/fj.12-221580.full.pdf+html (Die Printversion des Artikels erscheint in der April-Ausgabe)


Freitag, 29. März 2013

Türöffner für gefährliches Coronavirus

An der Werkbank im Labor: Beim Anlegen der Fledermaus-Zellkulturen in Ghana. (c) Foto: Marcel Müller/Uni Bonn


An dem mysteriösen neuartigen Coronavirus „HCoV-EMC“, das sich von der arabischen Halbinsel ausbreitet, sind inzwischen mehrere Menschen gestorben. Internationale Wissenschaftler unter Beteiligung des Bonner Universitätsklinikums haben nun den Rezeptor identifiziert, der bei der Infektion eine Schlüsselrolle spielt. Die Ergebnisse werden im renommierten Fachjournal „Nature“ vorgestellt.

Auf der arabischen Halbinsel wurden im vergangenen Jahr mehrere Menschen mit dem neuen Coronavirus „HCoV-EMC“ (human Coronavirus-Erasmus Medical Center) infiziert. Die Zahl der bestätigten Fälle beläuft sich mittlerweile auf insgesamt 14, darunter acht Todesfälle. In Deutschland wurde bislang nur ein importierter Erkrankungsfall dokumentiert. Virologen der Universität Bonn haben nun mit ihren Kollegen aus Rotterdam, Utrecht, St. Gallen und Jeddah (Saudi Arabien) einen Rezeptor identifiziert, der für die Infektion mit dem Coronavirus von entscheidender Bedeutung ist. Es handelt sich dabei um die Dipeptidyl Peptidase 4 - die sogenannte „DPP4“, auch „CD26“ genannt.

Der Rezeptor wirkt wie ein Türöffner für das Virus

„Dieser Rezeptor ist ein bekanntes Protein, das vielfältige Stoffwechselfunktionen erfüllt“, sagt Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. „Der Rezeptor kommt in verschiedenen Organen vor. Das Virus befällt aber insbesondere die Atemwege.“ Heftet sich das Coronavirus an den DPP4-Rezeptor, wirkt dieser wie ein Türöffner: Das Virus dringt in die Zelle ein und programmiert sie um, wodurch weitere Viren gebildet und freigesetzt werden – die Infektionskette hat begonnen.

Ansatzpunkt für neue Medikamente und Impfungen

Die Wissenschaftler haben das Oberflächenprotein des Virus künstlich hergestellt und damit nach menschlichen Zellproteinen gesucht, die daran binden. Auf diese Weise kamen sie dem Rezeptor auf die Spur. Den Nachweis der Wirksamkeit erbrachten sie, indem sie den Rezeptor mit einem anderen Protein blockierten: Weil HCoV-EMC dann nicht mehr an den Rezeptor andocken konnte, unterblieb eine Infektion. Wenn man dagegen rezeptorfreien Zellen das Protein künstlich einpflanzte, wurden sie für die Infektion empfänglich. „Damit haben wir den Rezeptor bewiesen“, sagt der Virologe des Bonner Universitätsklinikums. Die Kenntnis des Rezeptors ist so wichtig, weil sich daraus Ansatzpunkte für die Entwicklung von Medikamenten und Impfungen ergeben. Darüber hinaus verbessern die Ergebnisse der Studie das Verständnis dafür, wie leicht der Erreger von Tieren auf den Menschen überspringen kann.

Hohe Dunkelziffer an Infektionen

Wichtig für die Einschätzung der Gefährlichkeit ist, wie exponiert die infizierten Zellen im Organismus sind. HCoV-EMC befällt insbesondere Zellen, die keine Flimmerhärchen tragen. Diese sind in den Atemwegen dünn gesät. „Vielleicht ist deshalb das Virus weniger übertragbar als andere Lungenviren“, erläutert Prof. Drosten. Der Wissenschaftler geht aber davon aus, dass es eine Dunkelziffer an Infektionen mit milden Verläufen gibt. „Die meisten HCoV-EMC-Erkrankten werden deshalb nicht auffallen“, sagt der Bonner Virologe, der vergangenen Herbst den ersten diagnostischen Nachweis für das neue Virus entwickelt hat.



Nierenepithelzellen von der Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus). Die Wissenschaftler zeigten an diesen Zellen, dass auch das Fledermaus-DPP4 als Rezeptor für das HCoV-EMC/2012 funktioniert. Rot ist der Zellkern mit der DNA zu erkennen, weiß sind die Zellgrenzen. (c) Foto: Marcel Müller/Uni Bonn





Das Virus hat sich an den Menschen angepasst

Die engsten Verwandten des Erregers sind Fledermaus-Coronaviren, wie die Forscher mit genetischen Analysen nachweisen konnten. Das Virus hat sich aber anscheinend an den Menschen angepasst: Es vermehrt sich mit dem Rezeptormolekül von Fledermäusen nicht so gut wie mit dem von Menschen. „Bei HCoV-EMC handelt es sich um ein neuartiges Coronavirus, das dem SARS-Virus ähnelt“, sagt Prof. Drosten. „Es ist zu befürchten, dass es sich auch nach Europa ausbreitet.“ Um dies zu beurteilen, fehlten jedoch wichtige Daten und Infektionszahlen, die in den betroffenen Ländern derzeit kaum erhoben werden.

Publikation: Dipeptidyl peptidase 4 is a functional receptor for the emerging human coronavirus-EMC, Nature, DOI: 10.1038/nature12005


Früher Hinweis auf die Alzheimer-Erkrankung

Unter dem Lichtmikroskop: Das Foto zeigt einen gefärbten Dünnschnitt eines Mäusegehirns. Mit Pfeilspitzen sind Ablagerungen in den Nervenzellen markiert. Die Pfeile deuten dagegen auf Plaques, die sich an die Gehirnzellen angeheftet haben. Foto: Sathish Kumar/Neurologie Uni Bonn.


Ablagerungen in den Nervenzellen

Alzheimer-Forscher gingen bislang davon aus, dass sich schädliche Plaques von außen an die Nervenzellen anlagern und sie schließlich in den Untergang treiben. Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums und ihre Göttinger Kollegen entdeckten nun in Mäusegehirnen gefährliche Ablagerungen direkt in den Nervenzellen. Diese Variante verklumpt stärker und ist auch schwerer abbaubar. Möglicherweise dienen die im Inneren befallenen Zellen als ein Keim, von dem aus sich weitere schädliche Plaques im Gehirn bilden. Die Ergebnisse werden nun im renommierten Fachjournal „Acta Neuropathologica” vorgestellt.

In Deutschland leiden mehr als 1,3 Millionen Menschen an Demenz, die meisten davon an der Alzheimer-Krankheit. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl voraussichtlich verdoppeln. Verantwortlich für den Untergang der Nervenzellen im Gehirn werden Ablagerungen aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden gemacht. Sie beeinträchtigen die Funktion der Nervenzellen lange bevor sich erste klinische Symptome bemerkbar machen. „In vorangegangenen Untersuchungen haben wir festgestellt, dass Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe im Gehirn besonders schädlich sind“, berichtet Prof. Dr. Jochen Walter von der Klinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums. „Sie verklumpen stärker und sind viel schwerer abbaubar als Peptide ohne Phosphatgruppe.“

Die Aggregate lagern sich bei jungen Mäusen im Inneren der Zellen ab

Die Wissenschaftler untersuchten nun mit ihren Kollegen von der Universität Göttingen an Alzheimer erkrankte Mäusen, wie sich diese schwer abbaubaren Phosphat-Peptide altersabhängig in den Gehirnen ablagern. Von Plaques war bislang bekannt, dass sie sich von außen an die Nervenzellen heften und sie allmählich schädigen. „Ein überraschender Befund unserer Studie ist, dass sich die besonders schädlichen Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe bei jungen, zwei Monate alten Tieren nicht außen, sondern direkt in den Nervenzellen ablagerten“, berichtet Erstautor Dr. Sathish Kumar aus der Arbeitsgruppe von Prof. Walter. Im weiteren Verlauf der Erkrankung bekamen dagegen die äußerlich abgelagerten Plaques die Oberhand: Bei etwa sechs Monate alten Mäusen hielten sich die Ablagerungen inner- und außerhalb der Nervenzellen in etwa die Waage. Waren die Tiere älter als zwölf Monate und die Krankheit noch weiter fortgeschritten, befanden sich die Amyloid-Peptide vor allem außerhalb der Gehirnzellen.

Werkzeug zur Diagnose besonders schädlicher Plaques

Um die besonders schädlichen Peptide mit Phosphatgruppe von den weniger schädlichen ohne Phosphat unterscheiden zu können, haben die Wissenschaftler spezifische Antikörper entwickelt, die entweder zur phosphathaltigen oder zur phosphatfreien Variante der Beta-Amyloid-Peptide jeweils genau passten wie ein Schlüssel ins Schloss. Zusammen mit speziellen Färbetechniken konnten die Forscher mit den so gewonnenen Antikörpern als diagnostischem Werkzeug nachweisen, wo sich phosphathaltige oder phosphatfreie Ablagerungen in den Gehirnen der verschieden alten Mäuse befanden.

Keimzelle für weitere Ablagerungen im Gehirn

„Die frühen Ablagerungen direkt in den Nervenzellen zeigen, dass die Alzheimer-Erkrankung bereits beginnt, wenn von außen noch gar keine Plaques erkennbar sind“, sagt Prof. Walter. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, weil bei den Patienten die Diagnose und Behandlung möglichst frühzeitig einsetzen sollte, um die Verschlimmerung der Symptome wie Gedächtniseinbußen und Verhaltensauffälligkeiten möglichst lange hinauszuzögern. Darüber hinaus stehen die Nervenzellen, die die Ablagerungen mit Phosphatgruppe in sich tragen, in Verdacht, das Fortschreiten der Erkrankung zu intensivieren: Diese Gehirnzellen altern offenbar besonders rasch und scheinen als eine Art Keim zu dienen, aus dem sich später die Plaques außerhalb der Gehirnzellen bilden.

Erkenntnisse können zur Entwicklung von Biomarkern beitragen

„Mit unseren Methoden könnten nun Biomarker identifiziert werden, mit deren Hilfe der Beginn der Ablagerungen in den Nervenzellen als frühestes Stadium der Erkrankung besser erkennbar wird“, sagt Dr. Kumar. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Zunächst muss noch der Nachweis erbracht werden, dass sich die Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen übertragen lassen.

Publikation: Early intraneuronal accumulation and increased aggregation of phosphorylated Abeta in a mouse model of Alzheimer’s disease, Acta Neuropathologica, Internet: http://link.springer.com/article/10.1007/s00401-013-1107-8



Dienstag, 19. März 2013

Tuberkulose - auch in Deutschland ein Gesundheitsproblem


Tuberkulose gehört zu den Infektionserregern mit hoher Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung. „Jede Erkrankung erfordert umfassende Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten, eine langwierige Therapie und einen hohen medizinischen Betreuungsaufwand“, erklärt Reinhard Burger, Präsident des RKI, das zum bevorstehenden Welttuberkulosetag den neuen Tuberkulose-Jahresbericht veröffentlicht hat. Für das Jahr 2011 wurden 4.317 Tuberkulosen registriert, davon starben 162 Erkrankte, in 2010 waren es 4.388 Erkrankungen, darunter 161 Todesfälle.

Damit nähert sich die Zahl der Erkrankungen einem Plateau, nachdem sie bis 2008 jedes Jahr deutlich zurückgegangen war. Bei Kindern dagegen steigen die Fallzahlen seit einigen Jahren sogar an. Im Jahr 2011 erkrankten 179 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, 2010 waren es 160 Fälle, 2009 142 Fälle. Bei Kindern geht die Tuberkulose fast immer auf eine kürzlich erfolgte Ansteckung zurück und ist damit ein Indikator für das aktuelle Infektionsgeschehen. „Das unterstreicht die Notwendigkeit der konsequenten Umsetzung der Empfehlungen zur Prävention und Behandlung, gleichzeitig auch, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst ausreichende Kapazität für die Tuberkulosekontrolle braucht“ betont Reinhard Burger.

Der Anteil multiresistenter Tuberkulosen hat sich in den vergangenen Jahren weitgehend stabilisiert und liegt bei rund 2%, jedoch dürfen – trotz kleiner Fallzahlen – der langwierige Behandlungsaufwand und die hohen Therapiekosten nicht unterschätzt werden. Hier sind neue Ansätze in Diagnostik und Therapie dringend erforderlich.

Neben der bundesweiten Analyse im Detail benennt der Bericht auch regionale Unterschiede. So liegt z.B. in Berlin (mit einer Inzidenz von 9,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) die Inzidenz deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt (5,3). Tuberkulose ist auch in Deutschland in erster Linie eine Krankheit der sozial Schwächeren.

In den Ausgaben 11 und 12/2013 beleuchtet das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch-Instituts verschiedene Aspekte der Tuberkuloseüberwachung. In einem Beitrag aus dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt wird über die zu geringe Nutzung der Chemoprophylaxe bei Kindern mit Kontakt zu Tuberkulosekranken berichtet. Dabei ist der gezielte Einsatz präventiver Maßnahmen bei exponierten Kindern von besonderer Bedeutung, da sie oftmals schwerwiegende Krankheitsverläufe entwickeln.

Ein Beitrag des Arbeitskreises Tuberkulose im Berufsverband der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst unterstreicht, dass ohne eine enge Kooperation insbesondere zwischen dem behandelnden Arzt und dem Gesundheitsamt ein erfolgreicher Behandlungsabschluss oftmals nur schwer möglich ist. Zwei Beiträge aus dem Robert Koch-Institut betreffen die vielfältigen, teilweise sehr komplizierten Ausprägungen der Tuberkulosen. Vorgestellt werden neue Zahlen zur Krankheitslast durch extrapulmonale Tuberkulose einschließlich Hirnhautentzündungen, sowie eine Schätzung zum Vorkommen gleichzeitiger Erkrankungen an HIV/AIDS und Tuberkulose, die zu gravierenden Wechselwirkungen führen können.

Der Tuberkulosebericht, das Epidemiologische Bulletin und Links auf wichtige Akteure, u.a. das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, das Koch-Metschnikow-Forum und das Nationale Referenzzentrum für Mykobakterien, ist auf den Tuberkuloseseiten des Robert Koch-Instituts abrufbar: www.rki.de/tuberkulose

Stand: 18.03.2013

Mittwoch, 2. Januar 2013

Antibiotika – richtig anwenden ist wichtig

Am 18. November fand zum fünften Mal der Europäische Antibiotikaresistenztag statt. Ziel des Tages war es, über die umsichtige Anwendung von Antibiotika zu informieren und die Risiken des unangemessenen Einsatzes aufzuzeigen. Nach wie vor werden Antibiotika in vielen Fällen angewendet, in denen es nicht oder nicht in dem Umfang erforderlich wäre.

Deutschland beteiligt sich regelmäßig mit unterschiedlichen Veranstaltungen zur Problematik Antibiotikaresistenzen an den Aktivitäten zu diesem Tag. 2012 u.a. auch mit einem Workshop, den das Robert Koch-Institut gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und EurSafety-Health-Net Anfang November veranstaltet hat.

„Antibiotikaresistenzen sind ein komplexes Problem. Viele verschiedene Stellen müssen kontinuierlich und interdisziplinär zusammenarbeiten und aktiv sein“, daran erinnert Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Um Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken und eine gezieltere Herangehensweise auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008 die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) entwickelt, an der auch die Bundesländer und weitere Akteure des Gesundheitswesens beteiligt waren.

Seitdem werden die in DART enthaltenen Maßnahmen ständig an neue Gegebenheiten angepasst. Einen aktuellen Überblick über Umfang und Art des Problems sowie die zur Vermeidung, Erkennung und Bekämpfung etablierten Strukturen, Konzepte und Maßnahmen gibt das Bundesgesundheitsblatt in der soeben erschienenen Ausgabe (Doppelheft November/Dezember 2012). Mit den in DART enthaltenen Maßnahmen konnten in den vergangenen Jahren bereits weitreichende Fortschritte erzielt werden. „Nun gilt es, bewährte Strategien zu verstetigen und konsequent weiter umzusetzen“, unterstreicht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.

Grundlage für eine adäquate Antibiotikagabe sind Wissen sowie Strukturen und Abläufe, die verantwortungsbewusstes Handeln ermöglichen. Wichtige Schwerpunkte im humanmedizinischen Abschnitt von DART sind, neben Surveillance, Diagnostik, Therapieleitlinien und Zusammenarbeit, die Aus-, Weiter- und Fortbildung von medizinischen Berufsgruppen.

Ein zentrales Ziel von DART ist eine bessere Erhebung und Bewertung von Daten (Surveillance). „Verlässliche und regelmäßig erhobene Daten zu Antibiotikaresistenzen und zum Antibiotikaverbrauch sind Voraussetzung für gezielte Präventionsmaßnahmen“, erklärt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts. Das Robert Koch-Institut erfasst bei der „Antibiotika-Resistenz-Surveillance“ (ARS), deren Ergebnisse auch im Internet abrufbar sind, in standardisierter Form Resistenzdaten aus mikrobiologischen Laboratorien. Dabei wird das gesamte Spektrum klinisch relevanter bakterieller Erreger aus der stationären und ambulanten Versorgung erfasst. Im Bundesgesundheitsblatt berichten die Infektionsepidemiologen des RKI über Erreichtes und Ausstehendes bei ARS.

Die genaue Charakterisierung von Krankenhauskeimen, insbesondere ihrer genetischen Ausstattung, ermöglicht die Aufklärung von Infektionsketten und gibt Hinweise auf Entstehung und Verbreitungswege von Resistenzeigenschaften. Über aktuelle Entwicklungen bei MRSA (multi- oder methicillinresistente Staphyloccocus aureus) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) berichten im Bundesgesundheitsblatt die Mikrobiologen des Nationalen Referenzzentrums für Staphylokokken und Enterokokken am Robert Koch-Institut. Bei gramnegativen Bakterien, zu denen Darmbakterien wie E. coli und Klebsiellen zählen, können sich Resistenzgene besonders leicht zwischen verschiedenen Bakterien(-arten) austauschen. Resistenzgene enthalten die Information für zelluläre Mechanismen, mit denen Bakterien die Wirkung von Antibiotika zunichte machen können. Eine bekannte Gruppe solcher Faktoren sind ESBL (Extended Spektrum Beta-Laktamasen). Über aktuelle Entwicklungen bei Bakterien, die diese Eigenschaft besitzen, berichten ebenfalls Mikrobiologen aus dem RKI in einem Artikel im Bundesgesundheitsblatt.

Lücken in der konsequenten Umsetzung von Hygieneempfehlungen tragen zur Verbreitung von (resistenten) Erregern bei. Viele wichtige gramnegative Erreger kommen im Darm vor. Bei solchen Erregern sind andere Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung erforderlich als etwa bei MRSA, die auf der Haut und in der Nase vorkommen. Die am RKI angesiedelte Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention hat aktuelle Empfehlungen zum Umgang mit diesem Problem, das heißt bei Infektion oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Bakterien, erarbeitet. Diese Empfehlungen sind in der Oktober-Ausgabe des Bundesgesundheitsblatts veröffentlicht und sind auch auf den RKI-Internetseiten abrufbar. Ein Beitrag über das Treffen der Moderatoren von regionalen Netzwerken gegen multiresistente Erreger (insbesondere MRSA) erläutert, wie durch erhöhte Aufmerksamkeit und koordiniertes Vorgehen Erfolge in der Eindämmung von Antibiotikaresistenzen erzielt werden können.


Stand: 14.11.2012


Mittwoch, 21. November 2012

Moderne Verbundforschung auf höchstem Niveau

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet an der Universität Bonn ein neues Graduiertenkolleg „Pharmakologie von 7TM-Rezeptoren und nachgeschalteten Signalwegen“ (GRK1873) ein. Durch die Erforschung pharmakologisch relevanter Signalwege sollen Arzneimittelwirkungen und Krankheitsmechanismen aufgeklärt werden. Sprecher ist Prof. Dr. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie.

Der Nobelpreis für Chemie ging im aktuellen Jahr 2012 an die US-Amerikaner Robert Joseph Lefkowitz und Brian Kent Kobilka für ihre Studien zu G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Es geht dabei um einen Mechanismus, wie auf biochemischem Weg Signale in das Innere lebender Zellen weitergeleitet werden. Mit solchen Rezeptoren, die durch sieben transmembranäre Domänen (7TM) gekennzeichnet sind, befasst sich das neue Graduiertenkolleg „Pharmakologie von 7TM-Rezeptoren und nachgeschalteten Signalwegen“. Es soll im Jahr 2013 starten und voraussichtlich insgesamt 18 Doktoranden aufnehmen. Die DFG fördert das Kolleg maximal neun Jahre.

Ziel: noch bessere und nebenwirkungsärmere Medikamente
„7TM-Rezeptoren regulieren fast alle physiologischen Prozesse und sind an vielen Krankheiten beteiligt“, berichtet Prof. Dr. Alexander Pfeifer, Sprecher des neuen Graduiertenkollegs und Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Bonn. „Diese Rezeptoren und ihre Signalwege sind Angriffspunkte für unterschiedlichste Medikamente, weil sie viele fundamentale zelluläre Funktionen regeln.“ Ein interdisziplinäres Team aus Pharmakologen, Physiologen, Pharmazeutischen Biologen und Chemikern sowie Informatikern arbeitet eng zusammen. Beteiligt sind die Medizinische und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Bonn sowie das Bonn-Aachen International Center for Information Technology. „Wir möchten vorhersagen, welche Signalwege von einem bestimmten Wirkstoff adressiert werden“, sagt der Vizesprecher Prof. Dr. Klaus Mohr aus der Pharmazie. Es sei sehr wichtig, die Wirkungen dieser Rezeptoren genauer aufzuklären, um noch bessere und nebenwirkungsärmere Medikamente zu entwickeln.

Exzellente Kandidaten aus dem In- und Ausland
Mit der Einrichtung von Graduiertenkollegs soll der wissenschaftliche Nachwuchs durch die Qualifizierung von Doktoranden mit einem breit aufgestellten Konzept gefördert werden. Die Universität Bonn will hierfür exzellente Kandidaten aus dem In- und Ausland gewinnen. Ziel ist eine interdisziplinäre und internationale Ausrichtung. Das Graduiertenkolleg GRK1873 der Universität Bonn wird deshalb unter anderem mit Kooperationspartnern in den USA, in Japan und in Schottland zusammenarbeiten. Die Doktoranden werden von einem internationalen Programm mit Auslandsaufenthalten profitieren. „Wir versprechen uns davon eine optimale Ausbildung junger Wissenschaftler“, sagt Prof. Pfeifer. „Die Doktoranden lernen moderne Verbundforschung auf höchstem Niveau kennen.“