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Samstag, 25. Mai 2013

Mobbing in der Schule

Am Anfang ist da das peinliche Foto, das eine Mitschülerin mit dem Handy aufgenommen hat. Es zeigt die füllige Katja P. in der Umkleidekabine, als sie sich in eine Gymnastikhose zwängt. Danach haben mehrere Mitschüler das Bild auf ihren Handys und lachen über sie. Ihren Wunsch, das Bild zu löschen, ignorieren sie. Am nächsten Tag ist das Foto im Internet, in Mails wird sie als "Tonne" diffamiert. In der Woche danach kursieren die nächsten unvorteilhaften Fotos. Neben ihr sitzen will schon lange niemand mehr, zu Geburtstagen wird sie nicht eingeladen und in der Pause steht sie ganz alleine. "Wenn ein Einzelner systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg fertiggemacht wird, ist das Mobbing", erklärt Ulrike Plogstieß. Die Diplom-Psychologin im AOK-Bundesverband rät: "Wichtig ist es, den Anfängen zu wehren."


Die Opfer werden ausgegrenzt, bedroht, geschubst oder geschlagen, mit fiesen Mails belästigt oder im Internet zum Gespött der anderen gemacht. "Mobbing setzt sich aus verschiedenen Handlungen zusammen, die den Betroffenen demütigen sollen und seine Würde angreifen", sagt Plogstieß. "Wenn jemand nur einmal gehänselt wird, ist das noch kein Mobbing." Besonders gut gedeiht ein solcher Psychoterror in einem aggressiven, unsozialen Klassenklima. Dort besteht die Gefahr, dass Schüler ihren Frust an Schwächeren ablassen.

Mobbing in der Schule ist in Deutschland weit verbreitet - das zeigt eine Online-Befragung des Zentrums für empirische pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau. An der nicht repräsentativen Befragung beteiligten sich im Jahr 2009 fast 2.000 Schüler. Über 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bereits gezielt und wiederholt drangsaliert wurden, 25 Prozent der Befragten sogar mehrfach pro Woche. Am meisten werden Grundschüler gemobbt, am wenigsten Schüler höherer Klassenstufen.

16,5 Prozent der Befragten bekamen leichtes oder schweres sogenanntes Cyber-Mobbing zu spüren. Dabei wurden Techniken wie E-Mail, Chats, Instant-Messaging-Systeme oder Handys eingesetzt, um sie zu beleidigen, Gerüchte über sie zu verbreiten oder sie zu bedrohen. "Diese Art der Diffamierung ist anonymer, als jemanden persönlich anzugreifen. Dadurch ist die Hemmschwelle auch geringer, Cyber-Mobbing anzuwenden", weiß Diplom-Psychologin Plogstieß. Sie rät Schülern, im Internet keine unvorteilhaften Fotos hochzuladen und genau zu überlegen, wem sie was von sich preisgeben. Ihrerseits sollten sie auch andere nicht bloßstellen und Peinliches über sie verbreiten.

Grundsätzlich kann Mobbing jeden treffen. Doch häufig erwischt es Kinder und Jugendliche, die nicht zu einer starken Gruppe gehören. "Ständig ausgegrenzt und gedemütigt zu werden, bedeutet extremen Stress, der gesundheitliche Folgen haben kann", warnt Plogstieß. Die Betroffenen sind verunsichert und verängstigt. Viele leiden in der Folge unter psychosomatischen Symptomen wie Schlafstörungen, Magenbeschwerden und Kopfschmerzen. Sie sind zunehmend unkonzentriert, wodurch auch ihre schulischen Leistungen oft nachlassen.

Wer gemobbt wird, schämt sich häufig und zieht sich zurück. "Wichtig ist es allerdings, nicht die Schuld bei sich zu suchen, sondern Eltern, Lehrern und Mitschülern von den Demütigungen zu erzählen", empfiehlt Plogstieß, "sonst besteht die Gefahr, dass sich die Mobber ermutigt fühlen und immer dreister werden." Als erstes sollten sich Betroffene mit klaren Worten wehren und ihre Peiniger auffordern, mit den Gemeinheiten aufzuhören. Wer in der Anfangsphase selbstbewusst auftritt und sich Verbündete sucht, kann verhindern, dass er immer weiter in die Defensive gedrängt wird.

"Schüler sollten sich auch nicht scheuen, ihre Lehrer um Hilfe zu bitten. Die Lehrer müssen dafür sorgen, dass der Psychoterror aufhört", sagt die Psychologin. Die Eltern sollten ihr Kind stärken und bei den Lehrern und falls nötig dem Schulleiter auf eine schnelle Lösung des Problems drängen. Hilfreich kann es auch sein, sich an den schulpsychologischen Dienst oder eine Mobbing-Beratungsstelle zu wenden.

Außerdem sollten Schüler von Anfang an in einem "Mobbing-Tagebuch" alle Gemeinheiten festhalten. Damit können sie sich den Frust von der Seele schreiben und anderen das Ausmaß der Übergriffe klar machen. Wer im Internet gemobbt wird, sollte Screenshots als Beweis machen und den Administrator informieren. Seriöse Websites lassen den Störenfried sperren. Die Schwierigkeit besteht allerdings häufig darin, herauszufinden, von wem die Attacken ausgehen. Fiese E-Mails, SMS-Nachrichten oder Anrufe sollten Betroffene ignorieren. Oft ist es sinnvoll, die E-Mail-Adresse und Handynummer zu wechseln.

Um das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen zu stärken und dadurch Mobbing vorzubeugen, unterstützt die AOK Initiativen zur Gewaltprävention. Schon in Kindergärten setzt das pädagogische Programm "Papilio" an, das die AOK Hessen fördert. Darin lernen Drei- bis Siebenjährige spielerisch soziale Kompetenzen und den Umgang mit Gefühlen wie Wut, Traurigkeit, Angst und Freude. Ziel ist es, die psychosoziale Gesundheit der Kinder zu stärken, damit sie später nicht anfällig für Sucht- und Gewaltverhalten sind.
Tipps zum Thema Mobbing bietet die Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten.
Mehr zum Programm "Papilio"
  

Donnerstag, 23. Mai 2013

Pille, Kondom & Co.


Schmetterlinge im Bauch: Wenn Teenager das erste Mal verliebt sind, fahren ihre 
Gefühle oft Achterbahn. Foto: AOK-Mediendienst

Jugendliche sind gut beraten

Pubertierende Jungen und Mädchen sind in Sachen Sex gar nicht so draufgängerisch, wie Erwachsene glauben. Immer mehr Jugendliche entscheiden sich dafür, mit dem "ersten Mal" eher länger zu warten - und sie verhüten dabei so gut wie nie zuvor. In der Regel haben Jungen und Mädchen ihren ersten Geschlechtsverkehr in einer festen Beziehung. "Die meisten Jugendlichen sind sehr gut aufgeklärt, sie verhüten besser als je zuvor und entscheiden sehr bewusst, was sie wollen und was nicht", sagt Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband.

Aufklärung, Verhütung, Sexualität - das sind für Jugendliche von heute keine Themen mehr, die verschämt hinter der Turnhalle besprochen werden. Hier hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Eltern, Schule, Beratungsstellen und das Internet leisten ihren Beitrag dazu, dass das Thema heute viel offener als früher besprochen wird. "Die Jugendlichen gehen unbefangener und dennoch verantwortungsvoll mit ihrer Sexualität um", sagt Ebel.

Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung alle fünf Jahre unter mehreren tausend Mädchen und Jungen macht. Demnach sank der Anteil der 14-jährigen Mädchen, die bereits Geschlechtsverkehr hatten, von zwölf Prozent im Jahr 2005 auf sieben Prozent im Jahr 2010. Bei den gleichaltrigen Jungen sank er von zehn auf vier Prozent. Bis zu einem Alter von 17 Jahren hat mehr als ein Drittel der jungen Frauen und Männer noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt.

Umfassende Informationen und freier Umgang mit dem Thema Sexualität haben auch dazu geführt, dass die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren heute besser denn je verhüten. Während 1980 noch 20 Prozent der Mädchen und 29 Prozent der Jungen angaben, Geschlechtsverkehr ohne Verhütung zu haben, sind es heute nur noch acht Prozent der Mädchen und Jungen - mittlerweile verhüten Jungen also genauso gut wie Mädchen. Und am häufigsten kommt hierbei das Kondom zum Einsatz. Drei Viertel aller deutschen Jungen und Mädchen verwenden es bei ihrem "ersten Mal". "Sind sie dann länger sexuell aktiv, verwenden Mädchen zunehmend die Pille", sagt Ebel.

Kondome und Pille empfehlen Experten den Jugendlichen auch als sichere und gut handhabbare Verhütungsmittel. Richtig angewendet, gilt das Kondom als sicher und bietet im Gegensatz zu anderen Verhütungsmitteln zusätzlich Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie einer HIV-Infektion, Syphilis oder Hepatitits B. Da die Sicherheit der Verhütung mit Kondom stark von der richtigen Anwendung abhängt, raten die Experten den Jungen, den Umgang mit dem Kondom vorher zu üben. Die Zuverlässigkeit einer Verhütungsmethode beschreibt der sogenannten Pearl-Index. Je niedriger er ist, desto sicherer ist das Verhütungsmittel. Beim Kondom liegt er zwischen zwei und zwölf. Das bedeutet, von 100 Frauen, die zwölf Zyklen mit Kondom Geschlechtsverkehr haben, werden zwischen zwei und zwölf schwanger. Ebel: "Der Grund für die Schwankungsbreite sind im wesentlichen Anwendungsfehler."


50 Jahre Pille


Auch die Verhütung mit der Pille, die es seit gut 50 Jahren gibt, gilt als sicher - aber sie braucht Vorlauf. Der Frauenarzt entscheidet, welches Hormonpräparat das richtige für das jeweilige Mädchen ist. Die Sicherheit der Pille hängt stark von der regelmäßigen Einnahme ab - von 100 Frauen, die zwölf Zyklen lang die Pille mit Östrogenen und Gestagenen nehmen, werden 0,1 bis 0,9 schwanger. Bei der Minipille, die nur Gestagene enthält, liegt der Index etwas höher. Der Einnahme der Pille geht eine eingehende Untersuchung und Beratung voraus.

Anders als das Kondom kann die Pille Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Gewichtszunahme und Brustspannungen haben. "Raucherinnen haben ein höheres Thrombose-Risiko", warnt Ebel. Dabei gilt: Ist das Mädchen jünger als 14 Jahre, müssen die Eltern informiert und einbezogen werden. Zwischen 14 und 16 Jahren kann der Arzt die Pille auch ohne Zustimmung der Eltern verschreiben, die Entscheidung liegt in seinem Ermessen. Ab dem 16. Lebensjahr ist das Einverständnis der Eltern nicht mehr nötig.


Weitere Verhütungsmittel


Neben Pille und Kondom gibt es noch zahlreiche weitere Verhütungsmittel, die zum Teil auch als sicher gelten. Dazu gehört der Vaginalring, den das Mädchen für drei Wochen in die Scheide einführt, und der hier künstliche weibliche Hormone abgibt. In der vierten Woche kommt es dann zur Blutung. Der Vaginalring ist fast so sicher wie die Pille und kann dieselben Nebenwirkungen haben.

Auch beim Verhütungspflaster sind Sicherheit und Nebenwirkungen ähnlich wie bei der Pille. Das etwa fünf mal fünf Zentimeter große Verhütungspflaster wird auf die Haut geklebt und gibt hier regelmäßige weibliche Hormone ab. Wenn das verschreibungspflichtige Pflaster nach drei Wochen abgenommen wird, ist auch die pflasterfreie Woche geschützt, bevor dann wieder ein nächstes Pflaster aufgeklebt wird.

Wer drei Jahre lang Ruhe haben möchte, kann sich für ein Hormonimplantat entscheiden. Dabei implantiert der Frauenarzt ein weiches Kunststoffstäbchen an der Innenseite des Oberarms, das drei Jahre lang kleine Mengen des Hormons Gestagen abgibt. Diese Methode gilt ebenfalls als sehr sicher. Es kommt jedoch in seltenen Fällen zur Wanderung des Stäbchens, was Beschwerden verursachen kann. Für die Hormonspirale gilt, dass sie bis zu fünf Jahre in der Gebärmutter liegt, kleine Mengen Gestagen freisetzt und damit eine Schwangerschaft verhindert.

Das Diaphragma oder auch Scheidenpessar dagegen bleibt nicht dauerhaft im Körper. Der biegsame Ring mit einer Gummihaut wird frühestens ein bis zwei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr mit einem Gel bestrichen, das Spermien abtötet. Dann wird es wie eine Barriere vor den Muttermund gelegt, damit keine Spermien in die Scheide gelangen können. Der Frauenarzt muss das Diaphragma anpassen. Wie sicher es ist, hängt stark von der Übung beim Einführen ab. Deshalb liegt der Verhütungsindex zwischen eins und 20.
Darüber hinaus gibt es noch verschiedenste chemische Verhütungsmethoden wie Gels, Schaumzäpfchen oder Cremes, die vor dem Geschlechtsverkehr in die Scheide eingeführt werden und die Spermien unbeweglich machen sollen. "Solche Mittel sollten nur zusammen mit einem Kondom oder einem Diaphragma verwendet werden, da sie sonst nicht sicher sind", sagt Ebel.


Koitus interruptus ist unsichere Methode


Nicht ratsam ist der Koitus interruptus, also der Rückzieher des Mannes vorm Höhepunkt. Ebel: "Auch vor dem Samenerguss können schon Spermien in die Scheide gelangen."
Gab es Pannen bei der Verhütung, gibt es schließlich noch die "Pille danach". Diese muss der Arzt verschreiben, wobei der Zeitpunkt eine ganz wichtige Rolle spielt: Es muss bis spätestens 72 Stunden, bei neueren Präparaten bis zu 120 Stunden nach ungeschütztem Verkehr oder einer Panne eingenommen werden. Der Zeitpunkt ist so wichtig, weil es sich nicht um eine Abtreibungspille handelt. Ist die Eizelle bereits befruchtet, wirkt die "Pille danach" nicht mehr. Deshalb gilt: je eher, desto besser.


Viele Informationsangebote


Neben Elternhaus und Schule gibt es zahlreiche Beratungsmöglichkeiten für Jugendliche, viele Jungen und Mädchen nutzen dazu gerne das Internet. 

Auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es viele Broschüren zum Thema, nicht nur für Jugendliche, sondern auch für ihre Eltern. Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk und viele andere Träger haben Beratungsstellen, an die sich Jugendliche ebenfalls wenden können. Durch die vielfältigen Angebote und die verantwortungsvolle Aufklärung durch Elternhaus und Schule hat sich in Sachen Aufklärung und Verhütung in Deutschland viel getan. "So hat Deutschland heute eine der niedrigsten Teenagerschwangerschaftsraten in Europa", sagt Ebel.
  

ADHS bei jungen Erwachsenen


Immer mehr jungen Erwachsenen werden immer mehr Arzneimittel zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) verschrieben. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK). Die Anzahl der Patienten im Alter zwischen 17 und 20 Jahren, die ein Präparat zur Behandlung von ADHS verordnet bekommen haben, ist im Vergleich zwischen 2011 und 2012 um zwölf Prozent gestiegen. Die Menge der verordneten Medikamenten-Packungen ist für diese Altersgruppe im gleichen Zeitraum um rund 20 Prozent gestiegen - die Facharztgruppe der Kinder- und Jugendmediziner hat sogar doppelt so viele Packungen verordnet.

"Die sogenannte Kinderkrankheit ADHS endet nicht automatisch an der gesetzlich festgesetzten Grenze zur Volljährigkeit. Daher ist es wichtig, dass man die Patienten in der Übergangszeit vom Jugend- ins Erwachsenenalter nicht einfach alleine lässt, sondern weiterhin umfassend medizinisch betreut", erklärt Dr. Edda Würdemann, Apothekerin bei der TK. "Notwendig ist bei diesem Übergang deshalb eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen den Fachärzten."

Die Auswertung der TK-Daten zeigt, dass diese Zusammenarbeit zwischen den Fachärzten in der Regel bereits heute umgesetzt wird. Denn die Verordnungszuwächse bei den ADHS-Medikamenten für die Patienten zwischen 17 und 20 Jahren traten in den meisten Fällen bei den zuständigen Spezialisten auf. Dazu gehören zum Beispiel Kinder- und Jugendpsychiater, Neurologen und Ärzte, die in psychiatrischen und psychotherapeutischen Ambulanzen arbeiten.

"Ein Grund für den Anstieg der Verordnungszahlen ist mit großer Wahrscheinlichkeit, dass erst seit April 2011 ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat auch für Erwachsene zugelassen ist", so Würdemann. "Hier kommt ein gewisser Nachholeffekt zum Tragen." Dieses Präparat "Medikinet adult" kann über 18-jährigen Patienten verschrieben werden, wenn dem Patient bereits im Kindesalter die Diagnose ADHS gestellt wurde und andere therapeutische Maßnahmen nicht ausreichen.

Die analysierten Daten sind um das Versichertenwachstum der TK für die Jahre 2011 und 2012 statistisch bereinigt.

Freitag, 5. April 2013

Borderline: Wenn der innere Druck schwer auszuhalten ist

Idealisierung und Enttäuschung, Wut und Trauer, Liebe und Kontaktabbruch – Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung haben häufig instabile zwischenmenschliche Beziehungen und sind hin- und hergerissen zwischen ihrer Sehnsucht nach Geborgenheit und ihrer Angst vor Nähe. "Sie leiden unter Stimmungsschwankungen, starken Selbstzweifeln und reagieren oft impulsiv", sagt Dr. Christiane Roick. Die stellvertretende Leiterin des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband erklärt, wie man die häufige Form einer Persönlichkeitsstörung erkennen und behandeln kann.

An einer Borderline-Störung, die auch als emotional-instabile Persönlichkeitsstörung bezeichnet wird, leiden ein bis zwei Prozent der Bevölkerung. Meist zeigt sich die Störung erstmals im Teenager-Alter. Sie kann begleitet sein von anderen psychischen Erkrankungen, etwa Depressionen oder Angststörungen.

Extreme Anspannung

Borderline-Patienten haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Bereits geringe Belastungen oder Probleme im zwischenmenschlichen Kontakt können bei ihnen schnell zu einer starken emotionalen Anspannung führen. Da es ihnen schwerfällt, Gefühle wie extreme Wut, Angst oder Verzweiflung zuzuordnen, erleben sie diesen Zustand als äußerst quälend. Um den inneren Druck zu verringern und wieder ruhiger zu werden, verletzen sich viele Betroffene selbst, indem sie sich etwa an Armen oder Beinen ritzen oder schneiden.

Andere unangemessene Strategien zum Spannungsabbau können Alkohol- oder Drogenmissbrauch, riskantes Autofahren oder Essattacken sein. Während Frauen vor allem sich selbst schaden, richten Männer ihre Aggressionen teilweise auch gegen andere. Mehr als die Hälfte der Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen berichtet über Versuche, sich das Leben zu nehmen.
 


Bedrückende innere Leere

Typisch für die Borderline-Störung ist aber nicht nur eine extreme Anspannung, sondern auch eine immer wieder auftretende bedrückende innere Leere. "Bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind auch das Selbstbild und das zwischenmenschliche Verhalten instabil", sagt AOK-Medizinerin Roick. Viele sind sich nicht sicher, wer sie wirklich sind oder berichten über eine gestörte Wahrnehmung ihres eigenen Körpers. Sie haben Schwierigkeiten, im Kontakt mit anderen Menschen Nähe zu ertragen – andererseits aber auch große Angst davor, verlassen zu werden. Während sie anfangs andere Menschen oft idealisieren und für sich einnehmen, neigen sie später dazu, diese abzuwerten, wenn sie ihre Erwartungen nicht erfüllen können. Die Folge sind schwierige Beziehungen mit häufigen Trennungen und Wiederannäherungen. Das wechselhafte, oft unberechenbare Verhalten kann auch das Berufsleben belasten und zum Abbruch von Ausbildungen und zu Arbeitslosigkeit führen.

Außerdem haben die Betroffenen unter großer Anspannung das Gefühl, die Kontrolle über die Realität zu verlieren. Hinzu kann eine verzerrte Wahrnehmung von Raum und Zeit kommen sowie sogenannte Flashbacks, in denen die Patienten traumatisierende Ereignisse wieder erleben. Alpträume und Schlafstörungen belasten sie oft zusätzlich.
 


Hilfe in Anspruch nehmen

Wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung angemessen behandelt, können sich die Beschwerden deutlich verbessern. "Beim Verdacht auf eine Borderline-Störung sollten Betroffene sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen", rät AOK-Ärztin Roick. Um die Diagnose stellen zu können, erfragt der Arzt, ob typische Symptome vorhanden sind. Dazu kann er ein speziell für die Borderline-Störung entwickeltes strukturiertes Interview durchführen. Außerdem muss der Mediziner andere Ursachen, beispielsweise organische Erkrankungen, ausschließen und prüfen, ob weitere psychische Begleiterkrankungen vorliegen.

Ursächlich für die Entstehung einer Borderline-Störung scheint das Zusammenspiel aus einer genetischen Veranlagung und frühen traumatisierenden Erfahrungen zu sein. So haben viele Patienten in ihrer Kindheit körperliche Gewalt, sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung durch Bezugspersonen erlebt. Diese unterschiedlichen Einflussfaktoren führen vermutlich zu Störungen der Regulierung des emotionalen Erlebens, die sich auch in neurobiologischen Untersuchungen nachweisen lassen. So zeigt sich bei den betroffenen Patienten in bestimmten Hirnregionen eine überdurchschnittlich starke Reaktion auf Reize.
 


Gute Erfahrungen mit Psychotherapie

Für die Behandlung der Borderline-Störung werden in deutschen Leitlinien vier spezifische Psychotherapiemethoden empfohlen. Die "Dialektisch Behaviorale Therapie" (DBT) gilt derzeit als das Verfahren, das wissenschaftlich am besten abgesichert ist. Es wurde in den 1980er Jahren von der Amerikanerin Marscha Linehan als Therapie für selbstmordgefährdete Patienten mit einer Borderline-Störung entwickelt. In der ersten Therapiephase arbeiten Patient und Therapeut an Möglichkeiten, wie der Patient sein Verhalten besser verstehen und kontrollieren kann und mit Selbstmordgedanken sowie mit selbstverletzenden oder aggressiven Impulsen umgehen kann. In der zweiten Therapiephase geht es besonders um den Umgang mit Problemen infolge von traumatischen Erlebnissen, Essstörungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch. 

Neben einer Einzeltherapie nimmt der Patient in der Regel auch an einer Gruppentherapie teil. Dabei versuchen die Teilnehmer, sich Verhaltensweisen anzueignen, die ihnen beispielsweise helfen, besser Stress und starke Gefühle in den Griff zu bekommen. Sie üben auch, achtsam mit sich selbst umzugehen und ihr zwischenmenschliches Verhalten zu ändern.

Dass die Methode wirksam ist, hat sich in mehreren wissenschaftlichen Studien gezeigt. Danach waren die Patienten nach der Therapie stabiler, ihre soziale Einbindung verbesserte sich und sie verletzten sich weniger selbst. Außerdem nahm die Zahl der Krankenhausaufenthalte ab.

Neben dieser Therapiemethode werden die "Schematherapie", die "Mentalisierungsbasierte Therapie" sowie die "Übertagungsfokussierte Psychotherapie" bei der Behandlung der Borderline-Störung eingesetzt. Allen Therapieformen gemeinsam ist, dass der Patient und der Therapeut am Anfang vereinbaren, wie mit Krisen, Selbstmordversuchen und Störungen der Therapie umgegangen werden soll.
 


Kurzfristige Unterstützung bei Krisen

Die Therapeuten bieten den Patienten bei Krisen kurzfristige Unterstützung an, um ungeplante Klinikeinweisungen zu vermeiden. Im Vordergrund aller Verfahren steht der Umgang mit Selbstmordgedanken und selbst schädigenden Verhaltensweisen. Wegen des unbeständigen Verhaltens der Patienten ist es besonders wichtig, dass der Therapeut für klare Regeln und verlässliche Rahmenbedingungen sorgt. Die Gabe von Psychopharmaka spielt bei der Therapie der Borderline-Störung eine untergeordnete Rolle; Medikamente können kurzfristig in Krisensituationen verordnet oder gegebenenfalls zur Behandlung psychischer Begleiterkrankungen eingesetzt werden.

Weitere Informationen zum Thema

Donnerstag, 14. März 2013

Autismus - wie auf einem fremden Planeten

Bei autistischen Störungen denken viele Menschen an den Film "Rain Man" mit Dustin Hoffmann. Der Oscar-Preisträger verkörpert darin den extrem introvertierten Raymond, der monoton spricht, aber dafür ein phänomenales Zahlengedächtnis hat. Doch längst nicht alle Autisten sind hochbegabt. "Es gibt ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen dieser Entwicklungsstörung", sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband. Am häufigsten ist der frühkindliche Autismus, der in den ersten drei Lebensjahren beginnt.

Der amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner hat den frühkindlichen Autismus 1943 erstmals beschrieben; daher wird er auch als Kanner-Syndrom bezeichnet. Nach Angaben des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte sind etwa 17 von 10.000 Kindern davon betroffen, vor allem Jungen. Eine leichtere autistische Störung ist das Asperger-Syndrom, das bei Kindern im Kindergarten- oder Grundschulalter einsetzt. Sie sind meist normal bis überdurchschnittlich intelligent, während bei einem Viertel bis der Hälfte der Kinder mit frühkindlichem Autismus die Intelligenz gemindert ist. Sie können oft nicht oder nur wenig sprechen. Daneben gibt es weitere Formen autistischer Störungen.
Bei den meisten Autisten zeigen sich folgende drei Hauptmerkmale:

Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen

  • Menschen mit einer autistischen Störung neigen dazu, sich von der Umwelt abzukapseln.
  • Sie tun sich schwer damit, sich in andere hineinzuversetzen sowie eigene Gefühle und Bedürfnisse zu äußern.
  • Kinder mit frühkindlichem Autismus nehmen beispielsweise keinen Blickkontakt auf, reagieren nicht auf ein Lächeln, wollen nicht auf den Arm genommen werden. Häufig fallen sie durch einen starren Gesichtsausdruck auf.
  • Sie spielen lieber alleine als mit Gleichaltrigen.
  • Sie zeigen nicht, dass sie ihre Eltern vermissen.
Gestörte Kommunikation und Sprache
  • Etwa die Hälfte der Kinder mit frühkindlichem Autismus entwickeln keine oder nur eine unvollständige Sprache. Sie versuchen auch nicht, sich mithilfe von Gestik oder Mimik zu verständigen.
  • Sie benutzen bestimmte Wörter sehr gerne und wiederholen diese häufig; manche haben auch Spaß daran, neue Wörter zu erfinden.
  • Viele Autisten nehmen alles Gesagte wörtlich. Daher verstehen sie Sprichwörter, Redewendungen oder Ironie nicht.
Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster
  • Typisch ist die ständige Wiederholung bestimmter Körperbewegungen (Stereotypien); zum Beispiel können autistische Kinder ausgiebig an Rädern drehen oder mit Fäden oder Papier wedeln,
  • Sie interessieren sich häufig mehr für Teilaspekte als für eine Sache selbst, zum Beispiel für ein Rad und nicht für das ganze Auto,
  • Sie entwickeln oft spezielle Interessen, die sie gut beherrschen, etwa Rechnen oder technische Disziplinen.
  • Rituale und gleichbleibende Abläufe sind ihnen sehr wichtig; auf Veränderungen reagieren sie oft mit Angst oder Aggressionen.
Zusätzlich haben viele autistische Kinder bereits im frühen Säuglingsalter Probleme mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus und der Nahrungsaufnahme. Sie fallen durch Schreien und starke Erregbarkeit auf. Später können Wutausbrüche, Aggressionen und ein Hang zur Selbstverletzung dazukommen.
Die Ursachen der Störung sind bisher nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass genetische Veränderungen zu einer Entwicklungsstörung des Gehirns führen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass ein höheres Alter der Mutter oder des Vaters bei der Geburt des Kindes das Risiko für eine autistische Störung erhöht. Nicht bestätigt hat sich hingegen die frühere Annahme, dass Kinder erkranken, weil sich ihre Eltern "kalt" verhalten oder ihren Nachwuchs ablehnen.

Körpersignale wie Vokabeln lernen

Durch ihren Mangel an Einfühlungsvermögen und Kontaktfähigkeit wirken Autisten manchmal gefühlskalt. "Das sind sie aber nicht, sondern sie haben Schwierigkeiten, eigene Gefühle auszudrücken oder Gefühle anderer richtig zu interpretieren", sagt AOK-Ärztin Maroß. Doch so schwierig es für andere Menschen ist, Autisten zu verstehen, so wenig verstehen diese die Menschen um sich herum. Sie fühlen sich wie in einer fremden, chaotischen Welt oder wie auf einem fremden Planeten. Sie müssen Körpersignale anderer Menschen lernen wie Vokabeln.

Autismus ist nicht heilbar, sondern begleitet die Betroffenen und ihre Familien ein Leben lang. "Eine rechtzeitige Diagnose ist allerdings wichtig, denn frühzeitige Förderung kann einiges bewirken", sagt Maroß. Die Fachärztin empfiehlt Eltern, beim Verdacht auf eine autistische Störung zu einem Kinder- und Jugendpsychiater zu gehen. Der Arzt befragt die Eltern zunächst gezielt nach typischen Verhaltensweisen. Ein umfassendes Bild macht er sich außerdem durch Fragebögen und indem er das Kind genau beobachtet, etwa beim Spielen. Durch weitere Untersuchungen schließt er andere Erkrankungen oder Störungen aus. Zudem überprüft er Intelligenz, Sprachentwicklung und Motorik.

Eine Therapie zielt vor allem darauf ab, die Entwicklung der Betroffenen zu fördern und ihnen zu ermöglichen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Die Eltern und Betreuer sollten in die Behandlung einbezogen werden. Während sich mit Medikamenten lediglich Begleiterscheinungen lindern lassen, kann ein Verhaltenstraining autistischen Kindern helfen, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und sich mit ihnen zu verständigen. Zurzeit werden verschiedene Verfahren angewandt. Bei manchen Ansätzen wird beispielsweise erwünschtes Verhalten belohnt. Auch pädagogische Förderkonzepte kommen zum Einsatz. Je nach individueller Konstellation können die Kinder im Rahmen von einem therapeutischen Gesamtkonzept auch mit Ergotherapie, Logopädie oder kreativen Angeboten gefördert werden.

"Wichtig ist auch eine Beratung der Eltern, die stark belastet sind", sagt Maroß. Denn viele Autisten benötigen auch noch als Erwachsene umfassende Unterstützung in allen Lebensbereichen. Im Alltag sind die Eltern mit vielen Problemen konfrontiert, die das Familienleben einschränken. Wegen ihres Verhaltens fallen Kinder mit frühkindlichem Autismus bereits im Kindergarten auf, danach besuchen sie meist eine Förderschule.

Geduld und Verständnis sind wichtig

"Der Umgang mit autistischen Menschen erfordert Geduld und viel Verständnis", weiß AOK-Psychiaterin Maroß. Regelmäßige Abläufe geben einem autistischen Kind Sicherheit. Eltern, Betreuer, Erzieher und Lehrer sollten daher darauf Rücksicht nehmen und eine Atmosphäre schaffen, in der sich das Kind wohlfühlt. Damit es sich beispielsweise langsam an den Kindergarten gewöhnen kann, empfiehlt es sich, es anfangs nur stundenweise dort zu betreuen und die Betreuungszeit dann schrittweise auszuweiten. Sinnvoll ist es, wenn sich die Erzieherinnen und später die Lehrer eng mit den Eltern absprechen. Um die Eingewöhnung zu erleichtern, kann die Mutter dem Kind anfangs gewohnte Speisen mitbringen. Ratsam ist es auch, dem Kind einen Raum zu zeigen, in den es sich zurückziehen kann. Im Gespräch mit einem autistischen Jungen oder Mädchen ist es wichtig, sich klar zu äußern und dem Kind Zeit zu geben zu reagieren. Drohungen sollten vermieden werden.

Weitere Infos und Adressen:
im Versichertenportal der AOK
Elternselbsthilfeverband autismus Deutschland e.V.