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Montag, 3. Juni 2013

Gestörter Redefluss - Wenn das Wort stecken bleibt

Er hat viel zu sagen, kann es aber nicht aussprechen. Ein ganzes Stadion voller Menschen beobachtet, wie der britische Königssohn Albert eine Rede zu halten versucht. Die Worte bleiben stecken, er zieht Grimassen, die Zuschauer starren den Königssohn an. Im preisgekrönten Film "The King’s Speech" hält der Schauspieler Colin Firth der Welt vor Augen, welche Qualen Stotterer durchmachen. Allein in Deutschland gibt es 800.000 von ihnen. "Stottern ist die häufigste und bekannteste Sprechstörung und betrifft etwa ein Prozent aller Kinder", sagt Rajko Ninic, Arzt im AOK-Bundesverband.

Als Stottern wird eine Störung des Redeflusses bezeichnet. Es kommt zu einer auffallend häufigen Unterbrechung des Sprechablaufs. Man unterscheidet, wie Mediziner Ninic erläutert, im Allgemeinen zwei Varianten: das Stottern, bei dem Buchstaben, Silben oder Wortteile wiederholt werden (klonisches Stottern) und das Stottern, bei dem es zu Pausen im Sprachablauf kommt (tonisches Stottern). Der Betroffene dehnt Silben und versucht vergeblich, bestimmte Anfangslaute herauszupressen. Diese Laute unterstützt er zusätzlich durch Bewegungen des Oberkörpers, der Arme und Beine und durch seine Mimik.


Betroffene meiden schwierige Situationen


Viele Stotterer suchen den Ausweg darin, besonders schlimme Situationen zu vermeiden: Wer schwierige Wörter wie Pizza Capricciosa nur stotternd herausbekommt, bestellt stattdessen eine Lasagne. Wer am Telefon daran erkannt wird, dass er statt seines Namens nur Buchstaben stammelt, vermeidet das Telefonieren. Wer bei Vorträgen nur bruchstückhaft redet, lehnt künftig Einladungen dazu ab. Ein solches Vermeidungsverhalten kann bis zu einem totalen gesellschaftlichen Rückzug führen.

Eine eindeutige Erklärung für die Ursache des Stotterns gibt es nicht. Die meisten stotternden Menschen haben vermutlich eine Veranlagung zum Stottern, dazu kommen dann auslösende und aufrechterhaltende Faktoren. Viele Einflüsse aus dem körperlichen, dem psychischen, dem sprachlichen und dem sozialen Bereich können bei der Entstehung eine Rolle spielen.

"Generell unterscheidet man zwischen dem Entwicklungsstottern und dem voll ausgebildeten Stottern", erklärt AOK-Mediziner Ninic. Das Entwicklungsstottern kann bei Kindern im Alter von etwa zwei bis vier Jahren auftreten, da in dieser Altersgruppe das Sprachvermögen im Verhältnis zum Mitteilungsvermögen oft unzureichend ist. Es ist für diese Altersgruppe normal und hält in der Regel nur wenige Monate an. Aus diesem Entwicklungsstottern kann jedoch das eigentliche Stottern entstehen. Wenn die Umwelt des Kindes auf das Stottern unangemessen mit Kritik, Unterbrechungen, Ermahnungen und mit Hänselei reagiert, kann sich die Sprechstörung verfestigen.

Stottert ein Kind im Vorschulalter (Entwicklungsstottern), ist in der Regel keine Therapie notwendig. Ist jedoch die Sprachentwicklung verzögert und hat das Kind gleichzeitig Schwierigkeiten bei der Artikulation, sollten die Eltern mit ihrem Nachwuchs zum Logopäden, also einem Stimm- und Sprachtherapeuten, gehen. Das ist auch ratsam, wenn das Kind über das vierte Lebensjahr hinaus stottert, damit sich aus anfänglichen Sprachauffälligkeiten keine chronische Sprechstörung entwickelt.


Stotternde Kinder nicht unterbrechen


Meist wird eine Kombination verschiedener Therapieansätze vorgenommen. Zum einen werden die Eltern über den Umgang mit ihrem stotternden Kind beraten. "Nehmen Sie sich Zeit zum Zuhören, unterbrechen Sie Ihr Kind nicht in seinem Redefluss und helfen Sie ihm auch nicht, Sätze zu vollenden", sagt Ninic. Außerdem wird den Eltern empfohlen, ihr stotterndes Kind beim Sprechen direkt anzuschauen und Kritik zu unterlassen. Diese Verhaltensweisen gelten im Übrigen auch für den Umgang mit erwachsenen Stotterpatienten.


Sprachtherapeutische Behandlung


Eine Haupttherapieform ist die logopädische (sprachtherapeutische) Behandlung, die bei den Symptomen ansetzt. Hier lernt der Patient anhand von Liedern und Sprechversen spielerisch den Umgang mit der Sprache. Er soll die Angst vor dem Sprechen verlieren und die richtige Atem- und Sprechtechnik erlernen. Dies geschieht beispielsweise, indem die Kinder oder Erwachsenen Geräusche nachahmen und das rhythmische Sprechen von Silben trainieren. Mithilfe von Bildergeschichten, Frage-Antwortspielen und Nacherzählungen üben die Patienten, flüssiger zu sprechen. Zudem erlernen sie Entspannungsübungen. Des Weiteren kann das Stottern psychotherapeutisch behandelt werden.

Die genannten Therapieansätze werden in unterschiedlichen Formen angeboten. So lernen die Stotterer bei der „Kasseler Stottertherapie“, die beim Berliner Gesundheitspreis 2008 "Gesagt ist nicht getan" in der engeren Auswahl war, in einem zweiwöchigen Intensivtraining eine ganz neue Sprechweise. Die Patienten sprechen sehr langsam, weich und verbinden Laute und Wörter so, dass Stottern nicht mehr möglich ist. Die Methode basiert auf dem Erlernen von Sprechtechniken und setzt auf die Unterstützung durch Computer. Mit einer eigens entwickelten Software üben die Patienten intensiv die neue Sprechweise.

Wichtig zur Vorbeugung von Sprachstörungen ist nach den Worten Ninics eine Förderung der Sprachentwicklung durch Lesen, Vorlesen, Gespräche, Sprachspiele, Singen und Erzählen. "Leider findet dieses in der Zeit der Fernseher, Computer und Videospiele immer seltener statt", so der AOK-Arzt. Außerdem sei es ratsam, bei ersten Symptomen einer Störung der Sprachentwicklung einen Fachmann zurate zu ziehen, damit aus Sprachauffälligkeiten keine Sprechstörung wird.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der AOK, bei der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e.V. und der Homepage zur Kasseler Stottertherapie.

Montag, 1. April 2013

Kinderunfälle - Im Alltag lieber auf Nummer sicher gehen

Vergiftungen und Verätzungen zählen mit zu den häufigsten Kinderunfällen. Gerade kleine Kinder sind von Reinigungsmitteln in bunten Farben fasziniert. Putzmittel und andere Chemikalien sollten daher immer in Originalbehältern, mit Kindersicherung verschlossen und außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt sowie niemals in Getränkeflaschen umgefüllt werden. Besondere Gefahr besteht durch ätzende Reinigungsmittel (etwa Entkalker, Rohr- und WC-Reiniger). Foto: AOK


Die häufigsten Unfälle

Kinder bringen ordentlich Leben in die Bude - und das ist gut so. Aber Bewegungsfreude und Entdeckerlust bringen auch ganz neue Risiken in den Alltag: Nicht etwa Krankheiten, sondern Unfälle sind die größte Gefahr auch schon für kleinste Kinder. Die häufigsten Verletzungsursachen bei Kindern bis zu sechs Jahren sind Stürze, Verbrennungen und Vergiftungen - die meisten wären vermeidbar. 

Die meisten Eltern glauben, wenn sie in der Nähe sind, kann ihrem Kind schon nichts oder nicht viel passieren. Das ist ein fataler Irrtum: Gerade in den eigenen vier Wänden oder zumindest im vertrauten Umfeld ereignen sich die allermeisten Kinderunfälle. Allein im Jahr 2010 verunglückten laut AOK rund 200.000 gesetzlich krankenversicherte Kinder im Alter bis sechs Jahre so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die meisten von ihnen waren gestürzt, hatten sich verbrannt oder vergiftet. Besonders oft in diesem Alter sind Stürze die Ursache für Verletzungen.

Ein Großteil der Unfälle lässt sich verhindern


Die gute Nachricht dabei: "Ein Großteil dieser Kinderunfälle lässt sich effektiv verhindern, die Eltern müssen nur wissen, wie", sagt Claudia Schick, Diplom-Pädagogin in der Abteilung Prävention des AOK-Bundesverbandes. Oft sind es schon Kleinigkeiten, die Kinder schützen. Zusammen mit Krankenkassen, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Bundesarbeitsgemeinschaft "Mehr Sicherheit für Kinder" sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat die AOK die bestehenden Merkblätter auch mit Blick darauf aktualisiert und um Tipps erweitert.

Richtige Tipps zur richtigen Zeit


"Ganz entscheidend ist natürlich, dass die richtigen Tipps zur richtigen Zeit bei den Eltern ankommen," so Schick. Während das Baby sicher auf dem Wickeltisch liegen und der Airbag für die Babyschale ausgeschaltet sein muss, geht es im Spielplatzalter beispielsweise darum, Kordeln an Anoraks zu entfernen und beim Fahren mit dem Laufrad den Kopf mit einem Helm zu schützen. Deshalb sind die Merkblätter auf die Entwicklungsphasen des Kindes zugeschnitten. Die Kinderärzte geben sie zu den jeweiligen U-Untersuchungen aus, sie können dort aber auch jederzeit mitgenommen oder im Internet heruntergeladen werden.
Um von Beginn an Unfälle vermeiden zu können, gilt es unter anderem,

  • auf dem Wickeltisch immer eine Hand am Körper des Babys zu haben, damit es nicht herunterfallen kann
  • das Kind nicht auf dem Bauch schlafen zu lassen und durch einen Schlafsack das Überhitzen und damit den plötzlichen Kindstod zu vermeiden
  • nur kurze Schnullerketten zu verwenden, damit sich das Kind nicht erdrosseln kann
  • das Baby im Auto in der Babyschale nur rückwärts und mit ausgeschaltetem Airbag zu transportieren.

Risiken ändern sich mit zunehmendem Alter


Mit zunehmendem Alter ändern sich die Risiken des Alltags. Eine Checkliste hilft, den Haushalt grundsätzlich sicher für kleine Kinder zu machen. Dazu gehört es beispielsweise,
  • die Steckdosen mit Kindersicherungen auszustatten
  • Tischdecken zu entfernen, damit Kinder keine heißen Töpfe oder gefährlichen Gegenstände vom Tisch ziehen können
  • Herde, Backöfen und Öfen mit Schutzgittern auszurüsten
  • Regale umsturzsicher zu befestigen, Fernseher sicher aufzustellen
  • Treppen mit Gittern zu sichern
  • gefährliche Gegenstände wie Putzmittel und Medikamente unerreichbar für Kinder aufzubewahren
  • Gartenteiche, Pools und Regentonnen zu umzäunen oder abzudecken sowie
  • die Wohnung mit Rauchmeldern auszustatten, was ohnehin für jede Wohnung gelten sollte.

Verbrennung, Vergiftung, Verätzung - das ist zu tun


Neben Stürzen zählen Verbrennungen, Vergiftungen und Verätzungen zu den häufigsten Kinderunfällen. Deshalb ist es auch hier für den Fall des Falles besonders wichtig für Eltern zu wissen, wie sie reagieren müssen. Bei Verbrennungen gilt:
  • das Kind beruhigen und die Verletzung unter handwarmem Wasser (25 Grad) spülen, bis der Schmerz nachlässt
  • den restlichen Körper warm halten
  • bei größeren Verbrennungen den Rettungswagen mit der Nummer 112 anrufen.
Bei Vergiftungen glauben sehr viele Eltern, dass sie ihr Kind schnellstmöglich zum Erbrechen bringen sollten. "Das sollten sie aber auf keinen Fall", sagt Schick. Macht das Kind einen kranken Eindruck, sollte schnellstmöglich der Rettungswagen gerufen werden. Außerdem:
  • Den Giftnotruf anrufen: Was hat das Kind gegessen oder getrunken? Wie viel? Wie alt ist es? Wie lange ist der Vorfall her? Genaue Angaben erleichtern es den Experten, die Lage einzuschätzen und die Eltern zu beraten.
  • Falls das Kind von sich aus erbricht, sollten Eltern das Erbrochene mit ins Krankenhaus nehmen.
  • Bei Verätzungen des Auges ist es sinnvoll, das Auge zehn Minuten lang mit lauwarmem Wasser zu spülen. Ist die Haut betroffen, sollte die Stelle mit Seife gewaschen werden; bei Verätzungen im Mund oder in der Speiseröhre sollte ein Kind, das bei Bewusstsein ist, ein bis zwei Gläser Wasser oder Tee trinken.

Selbst mit Vorsichtsmaßnahmen lassen sich nicht immer alle Unfälle vermeiden. Für den Notfall ist es sinnvoll, alle wichtigen Telefonnummern auf einem Zettel im Schrank hängen zu haben: Rettungswagen, Giftnotruf, Nachbarn, die auf ein Geschwisterkind aufpassen könnten. Das hilft den Eltern, in solchen Momenten den Kopf nicht zu verlieren. Wichtig und hilfreich auch: "Wenn die Eltern selbst einen Erste-Hilfe-Kurs speziell für Kinder gemacht haben, wissen sie, was zu tun ist und bleiben ruhiger."


Donnerstag, 14. März 2013

Autismus - wie auf einem fremden Planeten

Bei autistischen Störungen denken viele Menschen an den Film "Rain Man" mit Dustin Hoffmann. Der Oscar-Preisträger verkörpert darin den extrem introvertierten Raymond, der monoton spricht, aber dafür ein phänomenales Zahlengedächtnis hat. Doch längst nicht alle Autisten sind hochbegabt. "Es gibt ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen dieser Entwicklungsstörung", sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband. Am häufigsten ist der frühkindliche Autismus, der in den ersten drei Lebensjahren beginnt.

Der amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner hat den frühkindlichen Autismus 1943 erstmals beschrieben; daher wird er auch als Kanner-Syndrom bezeichnet. Nach Angaben des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte sind etwa 17 von 10.000 Kindern davon betroffen, vor allem Jungen. Eine leichtere autistische Störung ist das Asperger-Syndrom, das bei Kindern im Kindergarten- oder Grundschulalter einsetzt. Sie sind meist normal bis überdurchschnittlich intelligent, während bei einem Viertel bis der Hälfte der Kinder mit frühkindlichem Autismus die Intelligenz gemindert ist. Sie können oft nicht oder nur wenig sprechen. Daneben gibt es weitere Formen autistischer Störungen.
Bei den meisten Autisten zeigen sich folgende drei Hauptmerkmale:

Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen

  • Menschen mit einer autistischen Störung neigen dazu, sich von der Umwelt abzukapseln.
  • Sie tun sich schwer damit, sich in andere hineinzuversetzen sowie eigene Gefühle und Bedürfnisse zu äußern.
  • Kinder mit frühkindlichem Autismus nehmen beispielsweise keinen Blickkontakt auf, reagieren nicht auf ein Lächeln, wollen nicht auf den Arm genommen werden. Häufig fallen sie durch einen starren Gesichtsausdruck auf.
  • Sie spielen lieber alleine als mit Gleichaltrigen.
  • Sie zeigen nicht, dass sie ihre Eltern vermissen.
Gestörte Kommunikation und Sprache
  • Etwa die Hälfte der Kinder mit frühkindlichem Autismus entwickeln keine oder nur eine unvollständige Sprache. Sie versuchen auch nicht, sich mithilfe von Gestik oder Mimik zu verständigen.
  • Sie benutzen bestimmte Wörter sehr gerne und wiederholen diese häufig; manche haben auch Spaß daran, neue Wörter zu erfinden.
  • Viele Autisten nehmen alles Gesagte wörtlich. Daher verstehen sie Sprichwörter, Redewendungen oder Ironie nicht.
Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster
  • Typisch ist die ständige Wiederholung bestimmter Körperbewegungen (Stereotypien); zum Beispiel können autistische Kinder ausgiebig an Rädern drehen oder mit Fäden oder Papier wedeln,
  • Sie interessieren sich häufig mehr für Teilaspekte als für eine Sache selbst, zum Beispiel für ein Rad und nicht für das ganze Auto,
  • Sie entwickeln oft spezielle Interessen, die sie gut beherrschen, etwa Rechnen oder technische Disziplinen.
  • Rituale und gleichbleibende Abläufe sind ihnen sehr wichtig; auf Veränderungen reagieren sie oft mit Angst oder Aggressionen.
Zusätzlich haben viele autistische Kinder bereits im frühen Säuglingsalter Probleme mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus und der Nahrungsaufnahme. Sie fallen durch Schreien und starke Erregbarkeit auf. Später können Wutausbrüche, Aggressionen und ein Hang zur Selbstverletzung dazukommen.
Die Ursachen der Störung sind bisher nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass genetische Veränderungen zu einer Entwicklungsstörung des Gehirns führen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass ein höheres Alter der Mutter oder des Vaters bei der Geburt des Kindes das Risiko für eine autistische Störung erhöht. Nicht bestätigt hat sich hingegen die frühere Annahme, dass Kinder erkranken, weil sich ihre Eltern "kalt" verhalten oder ihren Nachwuchs ablehnen.

Körpersignale wie Vokabeln lernen

Durch ihren Mangel an Einfühlungsvermögen und Kontaktfähigkeit wirken Autisten manchmal gefühlskalt. "Das sind sie aber nicht, sondern sie haben Schwierigkeiten, eigene Gefühle auszudrücken oder Gefühle anderer richtig zu interpretieren", sagt AOK-Ärztin Maroß. Doch so schwierig es für andere Menschen ist, Autisten zu verstehen, so wenig verstehen diese die Menschen um sich herum. Sie fühlen sich wie in einer fremden, chaotischen Welt oder wie auf einem fremden Planeten. Sie müssen Körpersignale anderer Menschen lernen wie Vokabeln.

Autismus ist nicht heilbar, sondern begleitet die Betroffenen und ihre Familien ein Leben lang. "Eine rechtzeitige Diagnose ist allerdings wichtig, denn frühzeitige Förderung kann einiges bewirken", sagt Maroß. Die Fachärztin empfiehlt Eltern, beim Verdacht auf eine autistische Störung zu einem Kinder- und Jugendpsychiater zu gehen. Der Arzt befragt die Eltern zunächst gezielt nach typischen Verhaltensweisen. Ein umfassendes Bild macht er sich außerdem durch Fragebögen und indem er das Kind genau beobachtet, etwa beim Spielen. Durch weitere Untersuchungen schließt er andere Erkrankungen oder Störungen aus. Zudem überprüft er Intelligenz, Sprachentwicklung und Motorik.

Eine Therapie zielt vor allem darauf ab, die Entwicklung der Betroffenen zu fördern und ihnen zu ermöglichen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Die Eltern und Betreuer sollten in die Behandlung einbezogen werden. Während sich mit Medikamenten lediglich Begleiterscheinungen lindern lassen, kann ein Verhaltenstraining autistischen Kindern helfen, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und sich mit ihnen zu verständigen. Zurzeit werden verschiedene Verfahren angewandt. Bei manchen Ansätzen wird beispielsweise erwünschtes Verhalten belohnt. Auch pädagogische Förderkonzepte kommen zum Einsatz. Je nach individueller Konstellation können die Kinder im Rahmen von einem therapeutischen Gesamtkonzept auch mit Ergotherapie, Logopädie oder kreativen Angeboten gefördert werden.

"Wichtig ist auch eine Beratung der Eltern, die stark belastet sind", sagt Maroß. Denn viele Autisten benötigen auch noch als Erwachsene umfassende Unterstützung in allen Lebensbereichen. Im Alltag sind die Eltern mit vielen Problemen konfrontiert, die das Familienleben einschränken. Wegen ihres Verhaltens fallen Kinder mit frühkindlichem Autismus bereits im Kindergarten auf, danach besuchen sie meist eine Förderschule.

Geduld und Verständnis sind wichtig

"Der Umgang mit autistischen Menschen erfordert Geduld und viel Verständnis", weiß AOK-Psychiaterin Maroß. Regelmäßige Abläufe geben einem autistischen Kind Sicherheit. Eltern, Betreuer, Erzieher und Lehrer sollten daher darauf Rücksicht nehmen und eine Atmosphäre schaffen, in der sich das Kind wohlfühlt. Damit es sich beispielsweise langsam an den Kindergarten gewöhnen kann, empfiehlt es sich, es anfangs nur stundenweise dort zu betreuen und die Betreuungszeit dann schrittweise auszuweiten. Sinnvoll ist es, wenn sich die Erzieherinnen und später die Lehrer eng mit den Eltern absprechen. Um die Eingewöhnung zu erleichtern, kann die Mutter dem Kind anfangs gewohnte Speisen mitbringen. Ratsam ist es auch, dem Kind einen Raum zu zeigen, in den es sich zurückziehen kann. Im Gespräch mit einem autistischen Jungen oder Mädchen ist es wichtig, sich klar zu äußern und dem Kind Zeit zu geben zu reagieren. Drohungen sollten vermieden werden.

Weitere Infos und Adressen:
im Versichertenportal der AOK
Elternselbsthilfeverband autismus Deutschland e.V.

Mittwoch, 6. März 2013

Essstörungen: Hilfe bei Anorexie, Bulimie und Binge-Eating

Für Menschen mit Essstörungen hat Essen nichts mit Genuss zu tun. Sich aufs Essen freuen, sich ein gutes Essen gönnen, das wohlige Satt sein danach – solche Erfahrungen sind den Betroffenen verloren gegangen. Für sie ist essen oder nicht-essen zu einem Zwang geworden. Was Angehörige tun können, wo es Hilfe gibt und welche Therapien möglich sind, erklären die Experten der Stiftung Warentest in dem Buch Essstörungen

Menschen, die an einer Essstörung leiden, haben ein großes Interesse am Kaloriengehalt der Lebensmittel. Sie wissen nicht nur ganz genau, wie viele Kalorien ein halbes trockenes Brötchen oder 100 Gramm Haferflocken haben, sondern können auch jede Aktivität – ob Treppen steigen, joggen oder kalt duschen – in verbrauchte Kalorien umrechnen. Magersüchtige vermeiden hochkalorisches, fetthaltiges, kohlenhydratreiches Essen. Und eine Mahlzeit, deren Kaloriengehalt sie nicht bestimmen können, lehnen sie lieber ab. Menschen mit Bulimie werden von Essattacken geplagt und versuchen die Kalorien durch Erbrechen oder mit Hilfe von Abführmitteln wieder loszuwerden.

Hunger, Essanfälle, Erbrechen, exzessiver Sport oder Missbrauch von Medikamenten: Nicht das Elternhaus macht krank. Auch die Betroffenen sind nicht schuld. Essstörungen sind Erkrankungen, bei denen biologische, psychologische und soziokulturelle Einflüsse zusammenwirken. Dieses Buch erklärt einfühlsam, wieso das so ist und was man selbst als Betroffener, Angehöriger oder Lehrer tun kann. Der Ratgeber bietet Unterstützung und erklärt, welche Anzeichen es geben kann und welche Therapien sich eignen.

Die Autorin Anke Nolte arbeitet in Berlin als freiberufliche Medizinjournalistin mit den Schwerpunkten Psychologie, Psychosomatik und Krankenpflege.

Essstörungen, Hilfe bei Anorexie, Bulimie und Binge-Eating hat 160 Seiten und ist seit dem 29. Januar 2012 für 18,90 Euro am Kiosk erhältlich oder kann unter www.test.de/essstoerungen bestellt werden.

Dienstag, 6. November 2012

Cybermobbing - Jeder dritte Schüler bereits Opfer

Mehr als jeder dritte Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren war in Nordrhein-Westfalen bereits einmal Opfer einer Cybermobbing-Attacke. Dabei wurde laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) jeder fünfte betroffene Schüler im Internet oder per Handy direkt bedroht oder beleidigt. Jeder Sechste litt unter Verleumdungen und bei elf Prozent kam es zu einem Missbrauch der Internetidentität. Gemeinsam mit dem Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz der Bielefelder Polizei informierte die Kasse heute über Hilfen und Strategien im Umgang mit Cybermobbing.

"Schon früher haben Jugendliche auf dem Schulhof gestritten oder in der Clique gelästert. Aber heute gibt es einen fatalen Unterschied: Das Netz vergisst nichts und ist grenzenlos", erläutert Ulrich Adler, Leiter regionales Vertragswesen der TK in NRW, die neue Qualität des Mobbings. Deshalb ergänzte die TK ihr Aufklärungsportal "www.gewalt-gegen-kinder.de" um das Kapitel "Cybermobbing".

"Die Forsa-Studie bestätigt auch unsere Erfahrungen: Cybermobbing ist kein Randphänomen, sondern weitverbreitete Realität", sagt Monika Atorf, Kriminaloberkommissarin aus Bielefeld. Angesichts der Verbreitung des Internets sei dies keine Überraschung. "Schließlich ist für Jugendliche das Internet heutzutage selbstverständlicher Alltag", weiß die Expertin der Polizei.

Mobber im Internet begehen Straftaten. Jede Beleidigung, Bedrohung, das Ausspähen von Daten oder Nachstellung im Netz hat Konsequenzen. Das Strafgesetzbuch sieht für Fälle von Beleidigungen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor. Bei Erpressungen liegt das Strafmaß sogar bei bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Laut TK-Studie nutzen 99 Prozent der Befragten das weltweite Netz. Täglich surfen 69 Prozent der nordrhein-westfälischen Schüler länger als eine Stunde im Internet, 63 Prozent sind in sozialen Netzwerken aktiv, 36 Prozent in Chatrooms.

Die Opfer einer Cybermobbing-Attacke sind nicht nur wütend (70 Prozent), verzweifelt (24 Prozent) oder fühlen sich hilflos (22 Prozent), sondern leiden auch unter körperlichen Folgen. Von Schlafstörungen berichten 17 Prozent, Kopfschmerzen nennen 10 Prozent und Bauchschmerzen acht Prozent als Reaktion auf Cybermobbing. "Auf Grundlage der Forsa-Umfrage müssen wir davon ausgehen, dass rund 400.000 Schülern allein in NRW bisher Opfer von Cybermobbing geworden sind. Angesichts dieser Daten besteht dringender Handlungsbedarf. Als Krankenkasse wollen wir mit dem neuen Baustein Cybermobbing im Portal 'www.gewalt-gegen-kinder.de' helfen", unterstreicht Ulrich Adler.

Auch die Polizei Bielefeld ist der Ansicht, dass Aufklärung und Information über Cybermobbing verbessert werden müssen. Vor allem, um schon die Anfänge von Cybermobbing zu vermeiden. Bereits im Vorfeld können Schülerinnen und Schüler darauf achten, ihre Privatsphäre zu schützen. Denn ein leichtfertiger Umgang mit persönlichen Daten wie Wohnadresse, eMail-Adresse, private Fotos, Passwörter und Telefonnummer öffnet Cybermobbern Tür und Tor.

Für Opfer von Cybermobbing-Attacken gibt die Polizei folgende Tipps: 
  • bleibe ruhig und mobbe niemals zurück
  • hole dir Hilfe von erwachsenen Vertrauenspersonen (z.B. Eltern oder Lehrer) und entscheidet gemeinsam über das weitere Vorgehen
  • sichere Beweise (SMS, eMails, Bilder)
  • melde Belästigungen indem du oder deine Eltern Kontakt mit dem Anbieter der Plattform aufnehmen
  • sofern die Möglichkeit besteht, sperre Personen die dich belästigen

Hilfe finden Betroffene zudem bei Beratungsstellen vor Ort. Entsprechende Adressen gibt es beim Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz der Bielefelder Polizei, Tel.: 05 21 / 54 5-0.
  

Hintergrund:

Für die Forsa-Umfrage wurden im Jahr 2011 in Nordrhein-Westfalen 1.000 deutschsprachige Schüler zwischen 14-20 Jahren telefonisch interviewt.