Wissenschaftler der Universität Bonn und der LMU München haben einen
angeborenen Immunmechanismus enträtselt, der unter anderem bei
Virenattacken zum Einsatz kommt. Demnach bildet die befallene Zelle
einen exotischen Botenstoff, sobald sie verdächtiges Erbgut entdeckt,
das von einem Erreger stammen könnte. Dadurch alarmiert sie die
Immunabwehr. Die Studie ist online in der Zeitschrift Nature erschienen
(DOI: 10.1038/nature12306).
Viren schleusen bei einem Angriff ihr Erbgut in die von ihnen
attackierten Zellen ein. Sie bringen ihre Opfer so unter ihre Kontrolle.
Doch diese nehmen das in der Regel nicht wehrlos hin: Ein angeborener
Immunmechanismus ermöglicht es den angegriffenen Zellen, verdächtige
Erbsubstanz zu erkennen. So können sie rechtzeitig die körpereigenen
Abwehrtruppen alarmieren, bevor sich die Infektion ausbreitet.
Wie das genau funktioniert, war bislang unbekannt. Man kannte zwar die
Alarmsirene – ein Protein namens STING (englisch: Stich), das in
bestimmten Bereichen des Zellkörpers vorkommt. Vor kurzem wurde zudem
ein Sensor identifiziert, der verdächtiges Erbgut in Form von
Desoxyribonukleinsäure (DNA) in der Zelle aufspüren kann. Doch wie
gelangt das Signal vom Sensor zur Sirene?
Die Nature-Studie gibt auf diese Frage eine Antwort. Demnach stellt der
Sensor – ein Enzym namens cGAS – bei Kontakt mit dem Erbmolekül DNA
einen neuartigen, „exotischen“ Botenstoff her. Wenn dieser Botenstoff an
das STING-Protein andockt, wird dadurch der Alarm ausgelöst. Damit
startet eine Art Großrazzia, in der Spezialeinheiten des Immunsystems
ganz gezielt Jagd auf Viren und ähnliche Erreger machen.
DNA-spezifisches Alarmsignal
Interessant ist dieser Mechanismus auch deshalb, weil Immunologen STING
bislang aus einem anderen Zusammenhang kannten. Das Protein schlägt
nämlich auch dann Alarm, wenn es in Kontakt mit bestimmten bakteriellen
Botenstoffen kommt. Es spielt also sowohl bei der Abwehr von fremder DNA
als auch bei der Bekämpfung von Bakterien eine bedeutende Rolle.
Ursprünglich nahm man an, dass cGAS nach Kontakt mit DNA eine Substanz
herstellt, die der aus Bakterien ähnelt. Die Bonner Forscher konnten nun
jedoch zeigen, dass der von cGAS synthetisierte Botenstoff einen
kleinen, aber ganz entscheidenden Unterschied aufweist. Eine bestimmte
molekulare Verknüpfung sieht bei ihm anders aus als ursprünglich
vermutet. Ein scheinbar kleines Detail, das jedoch große Konsequenzen
hat: „Jetzt wissen wir, warum das menschliche STING ganz anders auf den
zelleigenen cGAS-Botenstoff reagiert als auf die Bakterienprodukte“,
erläutert Dr. Andrea Ablasser vom Institut für Klinische Chemie und
Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikum Bonn. Es gibt also ein
DNA-spezifisches Alarmsignal, das die Zelle dazu bringt, ihren Stachel
gegen Viren zu benutzen.
Die Bonner Kooperationspartner an der Ludwigs-Maximilian-Universität
(LMU) München konnten zudem aufklären, wie cGAS diesen Exoten
synthetisiert. „Wir konnten zeigen, welche räumliche Struktur cGAS bei
Kontakt mit DNA annimmt“, erläutert der LMU-Biochemiker Professor Dr.
Karl-Peter Hopfner. „Diese Information hat uns geholfen, den Syntheseweg
zu rekonstruieren.“
Langfristig könnten die Ergebnisse der Arbeit den Zugang zu neuen
Therapien eröffnen oder auch neuartige Impfungen ermöglichen. „Es ist
beispielsweise denkbar, spezifische Pharmaka zu entwickeln, mit denen
wir diesen Signalweg manipulieren können“, erklärt der Leiter der Studie
Professor Dr. Veit Hornung. „Wir könnten so das Immunsystem ganz
gezielt in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen oder aber – etwa im Falle
von Autoimmunkrankheiten – seine Abwehrreaktion unterdrücken.“