"Der unbeschwerte Genuss in unserem
"Schlaraffenland" weicht oftmals einem Kampf zwischen Kopf und Bauch.
Ein Grund dafür mag sein, dass wir die Zusammenhänge zwischen Essen und
Psyche nicht kennen und deshalb nicht richtig darauf reagieren", stellte
Dr. Margareta Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid
infodienst, auf dem 16. aid-Forum am 14. Mai 2013 in Bonn fest.
Professor Christoph Klotter von der Hochschule Fulda erläuterte, "wie
die Psyche mit isst". Theoretische Konzepte aus Philosophie,
Psychologie, Soziologie und Kulturwissenschaft böten unterschiedliche
Interpretationen des Essverhaltens.
"Mit dem systemischen Ansatz wird zum Beispiel angenommen, dass jedes
Individuum Teil eines bestimmten Systems ist, wie etwa die Familie.
Dieses System entscheidet wesentlich mit, was das Individuum an Nahrung
zu sich nimmt. Es duldet zudem in der Regel keine Verhaltensänderung
seiner Elemente. Auch das ist ein Grund dafür, dass Gewicht reduzieren
so schwierig ist", erklärte Klotter.
Professor Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung
in Potsdam ging darauf ein, warum und wie Hungergefühle im Gehirn
entstehen. "Physiologische Grundlagen sind hilfreich, um zu verstehen,
was im Gehirn abläuft und wie unsere Psyche funktioniert." Die
Entdeckung verschiedener Hormone und Rezeptoren habe seit Mitte der
1990er Jahre zu einem enormen Aufschwung und neuen Erkenntnissen in der
Forschung der Appetitregulation geführt. Über die Bedeutung von
Veränderungen der Gehirnstruktur bei übergewichtigen Personen und deren
Auswirkungen sprach Dr. Annette Horstmann vom Max-Planck-Institut für
Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. "Im
Magnetresonanztomographen konnten wir eindeutig erkennen, dass bei
übergewichtigen Menschen diejenigen Hirnstrukturen verändert sind, die
wir als Belohnungssystem bezeichnen.
Genau in diesen Hirnregionen haben adipöse Menschen mehr graue Substanz
als Schlanke, eine Struktur, die für die Verarbeitung von Nervensignalen
verantwortlich ist", so die Neurobiologin.
Dr. Hubert Preißl von der Universität Tübingen beleuchtete
neurobiologische Vorgänge im Zusammenhang mit Adipositas und
Gewichtskontrolle: "In Bezug auf die Nahrungsaufnahme kann man im
einfachsten Fall von einer "Energiehomöostase" ausgehen. Das heißt, es
wird so viel Nahrung aufgenommen wie auch wieder verbraucht wird. Höhere
Gehirnstrukturen, die mit Kognition, emotionaler Verarbeitung,
Entscheidungen und Belohnung verbunden sind, können das homöostatische
System direkt beeinflussen. Hierbei hat sich in letzter Zeit gezeigt,
dass Selbstkontrolle und lustbetontes Verhalten starken Einfluss auf die
Nahrungsaufnahme haben", so Preißl.
Professor Michael Siegrist von der
ETH Zürich berichtete darüber, wie Konsumenten in ihrem Essverhalten
beeinflusst werden und wie auf ihr Entscheidungsverhalten eingewirkt
werden kann. Auf der Makro-Ebene spielten soziale und kulturelle Normen
sowie Nahrungsmittelmarketing und Werbung eine wichtige Rolle. Die
physische Umwelt, also das Lebensmittelangebot in den Restaurants,
Kantinen und zu Hause, sei ein weiterer Faktor, der das Verhalten der
Konsumenten bestimme. Auf der individuellen Ebene beeinflussten
Einstellungen, Präferenzen, Wissen und Wertvorstellungen unseren
Lebensmittelkonsum, so der Professor für Konsumentenverhalten.
Mit dem Thema Essverhalten und kognitive Leistung beschäftigte sich
Professor Joachim Westenhöfer von der Hochschule für Angewandte
Wissenschaften in Hamburg. "Es hat sich gezeigt, dass gezügeltes
Essverhalten und Diätverhalten mit einer Beeinträchtigung verschiedener
kognitiver Funktionen verbunden sein können. Insbesondere
Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen als zentrale Komponenten der
Informationsverarbeitung können nachteilig beeinflusst sein."
Privatdozentin Dr. Tanja Legenbauer von der Universitätsklinik Hamm ging
in ihrem Vortrag "Körperbildstörung - eine Frage des Gewichts" darauf
ein, welche Folgen eine verzerrte Körperwahrnehmung hat.
"Die Hinweise gehen in die Richtung, dass adipöse Personen unabhängig
vom Vorliegen einer Binge Eating Störung insbesondere eine negative
Einstellung und negative körperbezogene Gefühle aufweisen, wobei die
Binge Eating Störung die Körperbildstörung weiter zu verstärken
scheint", erklärte die Psychologin. Binge Eating ist eine Essstörung,
bei der es zu unkontrollierbaren Heißhungerattacken kommt.
Dr. Ingrid Kiefer von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit AGES in Wien beleuchtete in ihrem Beitrag, wie man
durch sein Ernährungsverhalten Stress reduzieren kann: "Empfehlenswert
sowohl bei akutem als auch chronischem Stress ist eine ausreichende
Versorgung mit allen Makro- und Mikronährstoffen durch die richtige
Auswahl von Nahrungsmitteln. So kann man Stress effektiv vorbeugen sowie
stressige Zeiten und Situationen gelassener überstehen."
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