Donnerstag, 16. Mai 2013

Wie Essen und Psyche sich beeinflussen


"Der unbeschwerte Genuss in unserem "Schlaraffenland" weicht oftmals einem Kampf zwischen Kopf und Bauch. Ein Grund dafür mag sein, dass wir die Zusammenhänge zwischen Essen und Psyche nicht kennen und deshalb nicht richtig darauf reagieren", stellte Dr. Margareta Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid infodienst, auf dem 16. aid-Forum am 14. Mai 2013 in Bonn fest. Professor Christoph Klotter von der Hochschule Fulda erläuterte, "wie die Psyche mit isst". Theoretische Konzepte aus Philosophie, Psychologie, Soziologie und Kulturwissenschaft böten unterschiedliche Interpretationen des Essverhaltens.

"Mit dem systemischen Ansatz wird zum Beispiel angenommen, dass jedes Individuum Teil eines bestimmten Systems ist, wie etwa die Familie. Dieses System entscheidet wesentlich mit, was das Individuum an Nahrung zu sich nimmt. Es duldet zudem in der Regel keine Verhaltensänderung seiner Elemente. Auch das ist ein Grund dafür, dass Gewicht reduzieren so schwierig ist", erklärte Klotter.

Professor Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam ging darauf ein, warum und wie Hungergefühle im Gehirn entstehen. "Physiologische Grundlagen sind hilfreich, um zu verstehen, was im Gehirn abläuft und wie unsere Psyche funktioniert." Die Entdeckung verschiedener Hormone und Rezeptoren habe seit Mitte der 1990er Jahre zu einem enormen Aufschwung und neuen Erkenntnissen in der Forschung der Appetitregulation geführt. Über die Bedeutung von Veränderungen der Gehirnstruktur bei übergewichtigen Personen und deren Auswirkungen sprach Dr. Annette Horstmann vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. "Im Magnetresonanztomographen konnten wir eindeutig erkennen, dass bei übergewichtigen Menschen diejenigen Hirnstrukturen verändert sind, die wir als Belohnungssystem bezeichnen.

Genau in diesen Hirnregionen haben adipöse Menschen mehr graue Substanz als Schlanke, eine Struktur, die für die Verarbeitung von Nervensignalen verantwortlich ist", so die Neurobiologin.

Dr. Hubert Preißl von der Universität Tübingen beleuchtete neurobiologische Vorgänge im Zusammenhang mit Adipositas und Gewichtskontrolle: "In Bezug auf die Nahrungsaufnahme kann man im einfachsten Fall von einer "Energiehomöostase" ausgehen. Das heißt, es wird so viel Nahrung aufgenommen wie auch wieder verbraucht wird. Höhere Gehirnstrukturen, die mit Kognition, emotionaler Verarbeitung, Entscheidungen und Belohnung verbunden sind, können das homöostatische System direkt beeinflussen. Hierbei hat sich in letzter Zeit gezeigt, dass Selbstkontrolle und lustbetontes Verhalten starken Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben", so Preißl.

Professor Michael Siegrist von der ETH Zürich berichtete darüber, wie Konsumenten in ihrem Essverhalten beeinflusst werden und wie auf ihr Entscheidungsverhalten eingewirkt werden kann. Auf der Makro-Ebene spielten soziale und kulturelle Normen sowie Nahrungsmittelmarketing und Werbung eine wichtige Rolle. Die physische Umwelt, also das Lebensmittelangebot in den Restaurants, Kantinen und zu Hause, sei ein weiterer Faktor, der das Verhalten der Konsumenten bestimme. Auf der individuellen Ebene beeinflussten Einstellungen, Präferenzen, Wissen und Wertvorstellungen unseren Lebensmittelkonsum, so der Professor für Konsumentenverhalten.

Mit dem Thema Essverhalten und kognitive Leistung beschäftigte sich Professor Joachim Westenhöfer von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. "Es hat sich gezeigt, dass gezügeltes Essverhalten und Diätverhalten mit einer Beeinträchtigung verschiedener kognitiver Funktionen verbunden sein können. Insbesondere Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen als zentrale Komponenten der Informationsverarbeitung können nachteilig beeinflusst sein." Privatdozentin Dr. Tanja Legenbauer von der Universitätsklinik Hamm ging in ihrem Vortrag "Körperbildstörung - eine Frage des Gewichts" darauf ein, welche Folgen eine verzerrte Körperwahrnehmung hat.

"Die Hinweise gehen in die Richtung, dass adipöse Personen unabhängig vom Vorliegen einer Binge Eating Störung insbesondere eine negative Einstellung und negative körperbezogene Gefühle aufweisen, wobei die Binge Eating Störung die Körperbildstörung weiter zu verstärken scheint", erklärte die Psychologin. Binge Eating ist eine Essstörung, bei der es zu unkontrollierbaren Heißhungerattacken kommt.

Dr. Ingrid Kiefer von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES in Wien beleuchtete in ihrem Beitrag, wie man durch sein Ernährungsverhalten Stress reduzieren kann: "Empfehlenswert sowohl bei akutem als auch chronischem Stress ist eine ausreichende Versorgung mit allen Makro- und Mikronährstoffen durch die richtige Auswahl von Nahrungsmitteln. So kann man Stress effektiv vorbeugen sowie stressige Zeiten und Situationen gelassener überstehen."


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