Erste Anzeichen für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung sind anhaltender Durchfall, Bauchschmerzen, starke Abgeschlagenheit und ein schubweises Auftreten der Symptome. Bei Kindern kann ein verzögertes Wachstum, bei Jugendlichen eine spät einsetzende Pubertät ein erster Hinweis auf die Krankheit sein. "Bei Kindern sind eine schnelle Diagnose und frühzeitige Therapie besonders wichtig, um Wachstumsstörungen zu verhindern", sagt Ärztin Roick.
Natürliche Barriere des Körpers ist gestört
Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist die natürliche Barriere des Körpers, die der Darm gegenüber Bakterien und anderen Eindringlingen darstellt, gestört. "Dadurch können Keime in die Darmwand eindringen, was eine Entzündungsreaktion hervorruft", erklärt Roick. Beim Morbus Crohn kann die Entzündung den gesamten Verdauungstrakt vom Mund bis zum After erfassen. Meist ist jedoch der Darm betroffen, bei dem die Entzündung in allen Wandschichten auftreten kann. Die Colitis ulcerosa ist dagegen fast immer auf den Dickdarm begrenzt und betrifft nur die Schleimhaut.
Da beim Morbus Crohn die gesamte Darmwand entzündet sein kann, treten neben Eiteransammlungen (Abszessen) häufig Durchbrüche (Fisteln) in angrenzende Gewebe auf, etwa in benachbarte Darmschlingen, die Region um den After oder die Harnblase. Durch Narbenbildung können zudem einzelne Abschnitte des Darms verengt sein, was den Transport der Nahrung behindert. Durch die schubweise wiederkehrenden Entzündungen kann die Darmwand so geschädigt sein, dass der Körper Nährstoffe aus der Nahrung nicht mehr ausreichend aufnimmt. "Dann besteht die Gefahr von Mangelerscheinungen und Gewichtsverlust", warnt Roick.
Folge der chronischen Darmentzündung können außerdem schmerzhafte Entzündungen der Gelenke, Bänder und Muskeln sowie der Augen und der Leber sein. Auf der Haut können sich Geschwüre und Knoten bilden. Zudem ist bei langen Krankheitsverläufen das Darmkrebsrisiko erhöht, sodass eine ärztliche Überwachung mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wichtig ist.
Die Ursachen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen sind noch nicht abschließend geklärt. Vermutlich spielt eine familiäre Veranlagung eine Rolle. Außerdem können Umwelteinflüsse von Bedeutung sein, wobei bislang nur für das Rauchen ein negativer Effekt nachgewiesen ist.
Krankheit wird häufig erst spät erkannt
Da die ersten Anzeichen wie Durchfall, Bauchschmerzen, Müdigkeit und Fieber anderen Krankheitsbildern ähneln, werden Morbus Crohn und Colitis ulcerosa häufig erst spät erkannt. "Gehen Sie bei einem Verdacht frühzeitig zum Arzt", empfiehlt AOK-Medizinerin Roick. Bei Kindern und Jugendlichen kann ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, der sich auf Gastroenterologie spezialisiert hat, die Diagnose stellen.
Der Mediziner befragt den Patienten zunächst ausführlich zu seiner Krankengeschichte und der Art der Beschwerden und untersucht ihn gründlich. Dann folgen Blut- und Stuhltests, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums sowie eine Darmspiegelung, bei der Gewebeproben entnommen werden. Wenn der Arzt aufgrund von Engstellen bestimmte Darmabschnitte mit der Spiegelung nicht erreicht, kann eine ergänzende bildgebende Diagnostik erfolgen. Bei Verdacht auf Morbus Crohn wird im Rahmen der Erstdiagnostik auch die Untersuchung von Dünndarm, Magen und Speiseröhre empfohlen.
Beschwerden lindern
"Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind derzeit noch nicht heilbar. Ziel der Therapie ist es daher, die Beschwerden bei akuten Krankheitsschüben zu lindern, möglichst lange beschwerdefreie Phasen zu erreichen und mögliche Begleiterkrankungen zu kontrollieren", sagt Roick.
Während eines Entzündungsschubs lindern verschiedene Medikamente wie das Hormon Kortison die Beschwerden. Wegen seiner Nebenwirkungen sollte Kortison allerdings nicht über längere Zeit hinweg eingenommen werden. Um ständig wiederkehrende schwere Entzündungsschübe zu bekämpften, können Arzneimittel eingesetzt werden, die die Immunabwehr herabsetzen. Manchmal kann auch eine Operation erforderlich sein, beispielsweise, wenn sich Fisteln in Nachbargewebe oder Engstellen im Darm gebildet haben.
"Bei Kindern und Jugendlichen sollten Kortison-Präparate wegen ihres ungünstigen Einflusses auf Wachstum und Knochendichte möglichst wenig eingesetzt werden. Gleichzeitig ist eine Ernährungstherapie besonders wichtig, da der Bedarf an Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien in der Wachstumsphase erhöht ist", sagt Medizinerin Roick. "Wird bei Kindern und Jugendlichen der Energie- und Nährstoffbedarf optimal gedeckt, lassen sich auf diese Weise Wachstumsstörungen verhindern."
Ausgewogene Ernährung ist wichtig
Auch bei Erwachsenen ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, um Mangelerscheinungen zu vermeiden und den Körper ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Im leichten akuten Schub kann ballaststofffreie oder flüssige Nahrung den Darm entlasten. Während eines schweren Schubs kann auch eine Ernährung über Sonden oder Infusionen notwendig werden.
Eine spezielle, wissenschaftlich belegte Diätempfehlung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gibt es nicht, da der Verlauf individuell sehr unterschiedlich ist. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine leichte Vollkost, die ausreichend Ballaststoffe enthält. Bestehen Unverträglichkeiten gegen bestimmte Lebensmittel, sollten Betroffene die entsprechenden Speisen meiden. Auch bei Fettstuhl, Darmverengungen oder nach operativen Entfernungen von Darmabschnitten ist eine individuelle Kost erforderlich, um weitere Beschwerden oder Komplikationen zu vermeiden.
Weitere Informationen beim:
Kompetenznetz Darmerkrankungen und der
Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV