Immer wieder kommt es vor, dass Menschen nach einem Sturz, einem Unfall
oder einer Operation nicht mehr richtig "auf die Beine kommen", weil
ihre Schmerzen bleiben. Oder sie haben aus anderen Gründen schmerzhafte
Beschwerden, wobei am weitesten verbreitet Probleme mit dem Rücken sind.
Wegen ihres Leidens müssen sie oftmals weitreichende Einschränkungen in
Kauf nehmen, können ihren Interessen und ihrer Arbeit nicht mehr wie
gewollt nachgehen oder sich nicht mehr selbst versorgen. Ergotherapeuten
des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) haben in einem
Projekt bei chronischen Schmerzpatienten das japanische Kawa-Modell
angewendet und dabei vielversprechende Erfolge erzielt.
Es ist ein schleichender Prozess: Das Leben vieler chronischer
Schmerzpatienten gerät, je länger sie leiden, immer mehr aus den Fugen.
Ihr tägliches Leben wird geprägt von Schmerz und alles richtet sich
danach. Und die daraus entstehenden Einschränkungen führen oft zu
weiteren Problemen wie Angst, Depression, Abhängigkeit von Medikamenten
oder Personen und vielem mehr. Um in diese Situation Klarheit und eine
neue Struktur zu bringen, haben dem Deutschen Verband der
Ergotherapeuten e.V. (DVE) angehörende Therapeuten bei chronischen
Schmerzpatienten das Kawa-Modell (japanisch für "Fluss) angewendet. Wie
der Name schon vermuten lässt, soll das, was ins Stocken geraten ist,
wieder in Gang, also in Fluss gebracht werden. Zunächst findet eine Art
"Bestandsaufnahme" statt: Beim Erstgespräch in der Ergotherapie fertigen
die Schmerzpatienten ein vollständiges Schaubild ihrer aktuellen
Lebenssituation an. Sie erklären dabei ihrem Ergotherapeuten, wie sich
die verwendeten Symbole für Menschen aus ihrem Umfeld, Gefühle,
Situationen, Bedürfnisse oder berufliche Belange zueinander verhalten.
Kurzum alles, was derzeit eine weitere Heilung oder Besserung behindert,
kommt in dieses Bild.
Ergotherapie bringt das Leben wieder in Gang
Nach ihrer ersten Analyse erarbeiten die Ergotherapeuten gemeinsam mit
den Betroffenen die Ziele der Behandlung. So wünschen sich
beispielsweise Menschen mit chronischen Rückenschmerzen ganz häufig, als
erstes wieder die Nachrichten im Fernsehen schauen zu können, also 15
Minuten lang "am Stück" schmerzfreies Sitzen. Ein mittelfristiges Ziel
ist dann zum Beispiel der Besuch von Veranstaltungen wie Theater, Kino
oder Konzerte. Diese Verbesserung der Lebensqualität ist mit der
Ergotherapie zu erreichen. Pacing, nämlich Schritt für Schritt und dabei
kontinuierlich steigern, heißt die Formel zum Erfolg. In der Praxis
funktioniert es so, dass die schmerzfreie Zeit für die gewünschte
Betätigung, wie hier das Sitzen, gemessen wird. Setzt der Schmerz nach
fünf Minuten ein, darf der Schmerzpatient zunächst nicht länger als vier
Minuten sitzen und dann eine andere Position einnehmen. Das geht einige
wenige Tage so, dann wird immer weiter gesteigert, um die
Empfindlichkeit langsam abzubauen. Und es funktioniert tatsächlich, denn
auf diese Weise kann Jeder seinen individuellen Weg finden, um
Schmerzen zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die
Entspannung. Das lernen die Patienten ebenfalls in der Ergotherapie,
denn auch Stress - also Anspannung - provoziert Schmerzen.
Ergotherapeuten berücksichtigen die individuellen Besonderheiten
In der Ergotherapie geht es immer um den Einzelnen und seine spezielle
Situation und Erfordernisse. Jeder Fall ist anders gelagert und daher
unterscheiden sich nicht nur die Zielsetzungen der Patienten, sondern es
variieren auch die Methoden der Ergotherapie. Denn auch die sollen aus
ergotherapeutischer Sicht zum individuellen Klienten passen. Schließlich
ist jeder Fall anders gelagert, die häusliche oder berufliche Situation
ist selten vergleichbar. Daher gibt es auch kein "Schema F", das passt
und hilft. Stattdessen bringen Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten
das richtige Gespür und Einfühlungsvermögen mit, um die Therapie ihrer
Patienten mit chronischen Schmerzen optimal zu gestalten und dem
Behandlungsfortschritt anzupassen. Und am Ende der Therapie zeigt
zusätzlich zu dem, was der Patient schon an Erfolgen wahrnimmt, der
Vergleich des Kawa-Bildes vom Erstgespräch mit dem am Schluss
angefertigten auf einen Blick die Fortschritte, Veränderungen oder
Entwicklungen, die stattgefunden haben.
Mehr hilfreiche Informationen zu diesem und weiteren Themen bietet der
Deutsche Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE) unter www.dve.info