"Offenbar
ist die Vorsicht bei einer medikamentösen Behandlung von ADHS
gewachsen", begrüßt Dr. Edda Würdemann, Apothekerin bei der TK, die
Entwicklung. Denn die Langzeitfolgen von Ritalin sind noch nicht
erforscht und die Nebenwirkungen sehr umstritten. So kann
Methylphenidat, wenn es falsch dosiert wird, Angstzustände oder
Appetitlosigkeit auslösen. Auch zeigen Studien, dass das Medikament, das
zu den Psychopharmaka gehört, Auswirkungen auf das Wachstum der Kinder
haben kann.
Zur
größeren Zurückhaltung bei der medikamentösen Therapie betroffener
Kinder hat nach Ansicht von Würdemann sicherlich die Intervention der
gemeinsamen Selbstverwaltung aus Ärzten und Krankenkassen beigetragen.
Denn angesichts der starken Verschreibungszuwächse legte der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA) im Dezember 2010 in seinen
Arzneimittelrichtlinien fest, dass Ärzte Medikamente wie Ritalin nur
noch nach sehr strengen Maßstäben verschreiben dürfen. Laut G-BA muss
die Diagnose ADHS seitdem noch umfassender als bisher gestellt werden
und darf nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern
und Jugendlichen erfolgen. Außerdem muss der Arzt die Therapie
regelmäßig unterbrechen, um die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand
der Kinder beurteilen zu können.
Regional
betrachtet, zeigt sich im Vergleich von 2012 zu 2009, dass in fast
allen Bundesländern ADHS-Medikamente zurückhaltender verschrieben worden
sind. Besonders stark fiel der Rückgang in Brandenburg (minus 18
Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (minus 13,8 Prozent) und Bremen (13,1
Prozent) aus. Am schwächsten war der Trend in Baden-Württemberg (minus
0,6 Prozent) und Niedersachsen (0,9 Prozent) erkennbar. Lediglich einen
"Ausreißer" gab es mit Nordrhein-Westfalen, wo die Zahl der Kinder und
Jugendlichen, denen ein ADHS-Medikament verschrieben wurde, entgegen der
allgemeinen Entwicklung weiterhin wuchs - und zwar um 4,6 Prozent.
Das
Kürzel ADHS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom.
Kinder mit ADHS leiden unter einer ausgeprägten Bewegungsunruhe mit
starkem Aktivitätsdrang, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
sowie impulsivem und unüberlegtem Verhalten. Das Syndrom kann auch ohne
Hyperaktivität vorkommen (ADS). Laut Robert Koch-Institut sind
bundesweit rund 600.000 Kinder und Jugendliche betroffen. Jungen sind
etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.