Freitag, 30. November 2012

Verdrängung und Verharmlosung der Beschwerden

Ein Herzinfarkt kommt nicht, wie es häufig heißt, aus heiterem Himmel, sondern dem Infarkt geht die koronare Herzkrankheit (KHK) voraus. Die KHK ist die häufigste Herzerkrankung. Sie ist dadurch charakterisiert, dass sich Herzkranzgefäße in einem langen schleichenden Prozess verengen, so dass die Durchblutung des Herzens behindert wird. Allein in Deutschland sind etwa 2,34 Mio. Frauen und 3,16 Mio. Männer von einer KHK betroffen.* Über 59.000 Menschen sterben bundesweit jedes Jahr an einem Herzinfarkt.


„Besonders tückisch an der KHK ist, dass sie ein gefährliches, ein harmloses und ein weniger harmloses Gesicht hat“, sagt der Herzspezialist Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München und Beiratsmitglied der Deutschen Herzstiftung. „Einerseits stellt die KHK die Grundlage für den Herzinfarkt dar. Andererseits können die Veränderungen an den Herzkranzgefäßen, die man z. B. bei einer Herzkatheteruntersuchung findet, Jahrzehnte vor sich hinschlummern, ohne dass der Patient etwas davon merkt und ohne, dass irgendetwas Schlimmes passiert.“ Deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen wissen, wie die KHK entsteht und mit welchen Beschwerden und Warnzeichen sie sich bemerkbar macht. Denn die Erkrankung und ihre Symptome lassen sich frühzeitig erkennen und durch einen gesunden Lebensstil, durch Ausschaltung der Risikofaktoren, durch Medikamente, auch durch Kathetereingriff und Bypassoperation wirksam behandeln.

Warnzeichen Angina pectoris (Brustenge): Höchste Zeit, zum Arzt zu gehen
Der schleichende Entstehungsprozess der KHK entwickelt sich lange unbemerkt über Jahrzehnte hinweg: kleine Ablagerungen (Plaques) in der Gefäßwand der Herzkranzgefäße, die durch die Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) hervorgerufen sind, beeinträchtigen den Blutstrom in den Herzkranzgefäßen, bevor sich die ersten Beschwerden der Angina pectoris (Brustenge) zeigen. Typisch sind ein Druck-, Engegefühl oder Schmerzen in der Brust, die mit Atemnot einhergehen können. Atemnot kann auch allein auftreten. Diese Beschwerden werden durch körperliche oder seelische Belastung ausgelöst wie Treppensteigen, schnelles Gehen, Getränkekisten tragen, aber auch, wenn man sich aufregt. Der Schmerz kann in die Schulter, in den Kieferbereich oder in den Oberbauch ausstrahlen. Allerdings ist charakteristisch für den Schmerz, dass er in wenigen Minuten wieder verschwindet, wenn man auf der Treppe stehenbleibt, beim Rennen innehält, also wenn die Belastung aufhört. Tückisch für den Betroffenen ist, dass der Schmerz plötzlich nachlässt, sobald die Belastung aufhört.

Gefahr durch Verdrängung oder Anpassung an die KHK
Nicht jeder, der bei solchen Schmerzen an ein Herzproblem denkt, gesteht sich auch ein herzkrank zu sein. „Wir machen die Erfahrung, dass viele Betroffene die Beschwerden auf das Alter, die Bronchien oder den empfindlichen Magen schieben. Sie gehen deshalb nicht zum Arzt. Manche passen ihren Alltag der KHK an, so dass die Beschwerden selten auftreten: Statt der Treppe nimmt man jetzt den Aufzug, statt Urlaub in den Bergen geht man jetzt ans flache Meer“, berichtet Prof. Schunkert und warnt: „Die Angina-pectoris-Beschwerden weisen aber darauf hin, dass das Herz nicht mehr genug Sauerstoff erhält. Es besteht Handlungsbedarf, man muss zum Arzt, um ein Fortschreiten der KHK und lebensbedrohliche Situationen wie den Herzinfarkt und Herzschwäche zu verhindern.“

Wird nichts gegen das Fortschreiten einer KHK unternommen, nehmen die Plaques, die Ablagerungen, die die Gefäße verengen, an Zahl und Schweregrad zu. Ein Herzinfarkt entsteht, wenn eine Plaque aufreißt, sich ein Blutgerinnsel bildet, das das Gefäß verschließt.

Gemeinsam mit dem Arzt: Ausschaltung der Risikofaktoren
Alter, erbliche Belastung und Geschlecht spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der KHK. Aber die Hauptursache ist der heutige Lebensstil: falsche Ernährung, Übergewicht, Mangel an Bewegung, Rauchen und Stress. Daraus entstehen die Risikofaktoren Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung (erhöhtes Cholesterin) und Diabetes. „Viel hängt davon ab, dass man diese Risikofaktoren der KHK rechtzeitig entdeckt und behandelt, bevor sie Gefäße und damit den gesamten Körper ruinieren“, stellt Prof. Schunkert fest. Sich auf einen gesunden Lebensstil umzustellen und die Risikofaktoren für eine KHK auszuschalten, ist daher Basis jeder Therapie der KHK, ganz gleich, ob mit Medikamenten, einer Stentbehandlung oder durch eine Bypassoperation behandelt wird.

*Nach Angaben des Instituts für Herzinfarktforschung in Ludwigshafen


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