Dienstag, 4. Juni 2013

Mobbing - Zur Zielscheibe kann jeder werden

Kommunikation … ist der Schlüssel zum besseren Verständnis unter Kollegen. Foto: Techniker Krankenkasse

Rund zwei Millionen Deutsche wurden schon einmal gemobbt

Fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland wurden am Arbeitsplatz schon einmal gemobbt oder schikaniert, so die Techniker Krankenkasse (TK) in Bezug auf eine Studie von Eurofound. Die Frage "Wurden Sie im vergangenen Monat verbal beleidigt?" beantwortete in der europaweiten Befragung jeder achte Bundesbürger mit "Ja". Und 4,3 Prozent bestätigten, dass sie am Arbeitsplatz sogar Drohungen und erniedrigendem Verhalten ausgesetzt sind.

Wo Menschen über viele Stunden zusammenarbeiten, gibt es Reibungspunkte und Auseinandersetzungen. "Das ist normal", sagt Heiko Schulz, Diplom-Psychologe bei der TK. "Kritisch aber wird es, wenn ein Mitarbeiter systematisch, über einen längeren Zeitraum schikaniert wird – mit dem Effekt, diese Person rauszukicken." Zur Zielscheibe kann jeder werden. Typische Charaktereigenschaften, die einen Menschen zum bevorzugten Mobbing-Opfer machen, gibt es laut Schulz nicht. Der zielgerichtete Terror kann zwischen Kolleginnen und Kollegen stattfinden, von Vorgesetzten ausgehen oder von Mitarbeitern, die ihre Chefs mobben. In etwa der Hälfte aller Fälle, so der Mobbingbericht der Bundesregierung, sind Vorgesetzte an diesen Prozessen beteiligt.

"Gemobbt wurde zwar immer schon, doch die Vehemenz und Intensität ist stärker geworden. Die Konkurrenz schläft nicht, der wirtschaftliche Druck auf manche Unternehmen ist groß. Das schafft tendenziell ein raues Betriebsklima, erzeugt Verunsicherung und Stress bei den Mitarbeitern", erklärt Schulz. Wer gemobbt wird, leidet körperlich und psychisch. Am Anfang reagieren die Betroffenen mit Beschwerden wie Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Verspannungen auf den Stress. Im fortgeschrittenen Mobbingstadium können dann ernsthafte Erkrankungen hinzukommen wie etwa Migräne, Angstzustände, Tabletten- oder Alkoholabhängigkeit, Depressionen und Herz-Kreislauf-Probleme.

Auch dem Unternehmen schadet Mobbing, unter anderem durch erhöhte Krankenstände, Qualitätsverlust, hohe Mitarbeiterfluktuation und ein schlechtes Betriebsklima. Gemobbte Arbeitnehmer reagieren vielfach mit innerer Kündigung, dadurch bleibt ihr Potenzial am Arbeitsplatz unausgeschöpft.

Doch gegen Mobbing lässt sich etwas unternehmen. "Das üble Geschwür Mobbing kann sich immer dann bequem einnisten und unkontrolliert wachsen, wenn es keine Gesprächskultur im Betrieb gibt. Eine gute innerbetriebliche Kommunikation ist also ein wichtiger Bestandteil der Prävention", sagt Schulz. Die Berufsgenossenschaften unterstützen durch Betriebsberatung und bieten Mobbingprävention durch Seminare für Führungskräfte und Betriebsräte an.

"Wenn Sie selbst betroffen sind, stellen Sie Ihren Mobber möglichst frühzeitig zur Rede. Führt das nicht zur Klärung des Konfliktes, weihen Sie Ihren direkten Vorgesetzten ein. Ist er selbst der Täter, wenden Sie sich an dessen Vorgesetzten oder den Betriebsrat", rät der Diplom-Psychologe. Für die Intervention in konkreten Mobbingfällen ist jedenfalls der Arbeitgeber verantwortlich. In manchen Firmen gibt es einen Konfliktmanager, einen internen Anti-Mobbingbeauftragten oder das Angebot einer externen Mitarbeiterberatung. Falls nicht, kann man sich an einen externen professionellen Mediator wenden, der unparteilich sein muss. Mobbingberatungsstellen befinden sich inzwischen in jeder größeren Stadt.

Für den Fall, dass es später doch zu einem Arbeitsgerichtsprozess kommt und man beweisen muss, dass man tatsächlich gemobbt wurde, hilft ein "Mobbingtagebuch". Jeder Vorfall mit Uhrzeit, Ort und gegebenenfalls anwesenden Zeugen werden darin dokumentiert. Die Aufzeichnungen helfen auch, um im Gespräch mit einem Berater schneller auf den Punkt zu kommen.

Eine sorgfältige Analyse ist wichtig, um die Lage realistisch überblicken zu können: Welche Ursachen liegen zugrunde, wer sind die handelnden Personen, welche Interessen stecken hinter dem Konflikt, hat man selbst Anteil daran? "Möglicherweise ist man ja auch gar nicht persönlich gemeint, sondern fungiert eher als Blitzableiter für eine allgemein schlechte Stimmung im Team", gibt Schulz zu bedenken. Und natürlich muss das Ziel definiert werden: Was will ich? Die Situation verändern und den Arbeitsplatz behalten oder eine Abfindung erhalten und erhobenen Hauptes gehen?

"Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, um den Konflikt zu bearbeiten. Auch das Gespräch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen ist wertvoll", sagt Schulz. "Wichtig ist, dass man sich nicht rund um die Uhr von dem Thema gefangen nehmen lässt. Gerade in dieser belastenden Situation kommt es darauf an, Dinge zu tun, die Spaß machen, ablenken und den Blickwinkel verändern."

Die TK bezieht sich auf die Ergebnisse der Europäischen Erhebung über Arbeitsbedingungen (EWCS) 2010 von Eurofound.


Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – viel mehr als nur Kursangebote
In der wirtschaftlichen Bilanz eines Unternehmens dominieren Begriffe wie Umsatz und Gewinn, Einnahmen und Ausgaben sowie Forderungen und Verbindlichkeiten. Den Begriff "Gesundheit" sucht man dort in der Regel vergebens. Dennoch: Die Bereitschaft eines Unternehmens, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren, wird in den kommenden Jahren nach Einschätzung der Techniker Krankenkasse (TK) zunehmend wichtiger.

Denn angesichts der demographischen Entwicklung und fehlender Fachkräfte sind die Mitarbeiter ein Produktionsfaktor, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. "Die gesetzlichen Krankenkassen können dabei eine wichtige Funktion übernehmen und haben vom Gesetzgeber auch einen klaren Auftrag erhalten", betont Astrid Enders, bei der TK zuständig für betriebliches Gesundheitsmanagement. Zudem wird ausdrücklich gefordert, die Mitarbeiter daran zu beteiligen.

Die TK nimmt diesen Auftrag ernst, und das seit mehr als zehn Jahren. In insgesamt 840 Unternehmen in ganz Deutschland hat sie bisher die Geschäftsführung sowie die Mitarbeiter im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) beraten.

Eines davon ist die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart. Die TK hat die Bank in einem zweijährigen Kooperationsprojekt dabei unterstützt, das interne Gesundheitsmanagement weiterzuentwickeln. Dabei ging es nicht um einzelne Gesundheitskurse oder Aktionstage. Stattdessen standen die Arbeitsbedingungen selbst auf dem Prüfstand. Den Mitarbeitern kommt dabei eine aktive Rolle zu, sie werden zu Experten für ihre eigene Gesundheit.

Einfache Maßnahmen mit großer Wirkung

Bei der LBBW wurde konkret in vier Pilotbereichen der BGM-Zyklus aus Bedarfsanalyse, Maßnahmenentwicklung, Maßnahmenumsetzung und Evaluation verwirklicht. Dabei kamen auch bewährte Instrumente wie Mitarbeiterbefragung, Analyse der Fehlzeiten, Gesundheitszirkel und Gesundheitswerkstätten zum Einsatz. In moderierten Workshops haben die Mitarbeiter Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz benannt und Verbesserungsvorschläge erarbeitet.

Das Ergebnis waren zahlreiche Maßnahmen, die keine großen Investitionen erfordern, aber viel zu Motivation, Zufriedenheit und damit auch zu Gesundheit und Leistungsfähigkeit beitragen – zum Beispiel:


  • Mitarbeitergespräche finden jetzt häufiger statt und beleuchten stärker als bisher individuelle Weiterentwicklungswünsche und -möglichkeiten.

  • Die "Meetingkultur" wurde verändert (z.B. keine Besprechungen mehr in der Mittagspause und nach 18 Uhr).

  • Die Information und Kommunikation wurde durch regelmäßige Abteilungsbesprechungen intensiviert, Sonderaufgaben werden frühzeitiger kommuniziert.

  • Stehpulte zur gemeinschaftlichen Nutzung wurden angeschafft, die wechselnde Körperhaltungen ermöglichen und Ermüdung durch zu langes Sitzen vermeiden.

  • Durch Job Rotation erweitern Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und können im Vertretungsfall kompetent einspringen, Urlaub wird auch in Stoßzeiten möglich.

  • In den Pilot-Abteilungen wurden "Gesundheitsteams" gebildet, die das Thema Gesundheit im Blick behalten und nachhaltig weiterverfolgen.

"Was als einfaches Ideensammeln begann, hat einen nachhaltigen Veränderungsprozess in Gang gesetzt, der nicht allein die Gesundheit, sondern vor allem die Arbeitskultur betrifft", betont LBBW-Gesundheitsmanager Robert Amhof. Die Pilotprojekte haben Mitarbeiter und Führungskräfte stärker miteinander ins Gespräch gebracht und ihnen bewusst gemacht, wie wichtig die vermeintlich weichen Faktoren für Gesundheit und Produktivität sind.

Ziele des BGM

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement trägt dazu bei


  • Arbeitsprozesse und -organisation gesundheitsgerecht zu gestalten.
  • Die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Mitarbeiter zu gesundheitsgerechtem Verhalten zu befähigen und zu motivieren.
  • Arbeitsbelastungen zu reduzieren und den Gesundheitszustand zu verbessern.
  • Den Führungsstil zu verbessern.
  • Die Produktivität des Unternehmens zu erhöhen.

Weitere Informationen gibt es unter www.tk.de (Bereich Firmenkundenportal, Rubrik "Gesund im Betrieb").