Berufstätige sollen heute bis 67 arbeiten - aber ab
40 ist es schon nicht mehr so einfach, einen neuen Job zu finden. Warum
es für Unternehmen in Zukunft immer wichtiger wird, für Nachwuchskräfte
attraktiv zu sein, aber auch erfahrene Mitarbeiter gesund und
leistungsfähig zu halten, erklärt Patricia Lück im Interview. Die Diplom-Psychologin sagt auch, warum eine
ausgewogene Mischung aus Alt und Jung ein Erfolgsrezept sein kann.
Wann gelten Beschäftigte eigentlich als "alt"?
Lück: Solange man aktiv und fit ist, nimmt man sich
heute immer später als alt wahr. Erst Hochbetagte werden als "alt"
bezeichnet. In der Arbeitswelt wird Alter dagegen völlig anders
wahrgenommen: Schon ab 40 gilt man für eine neue Stelle oft als zu alt,
und Personaler ziehen jüngere Mitbewerber vor. Ab 50 werden die Angebote
der Arbeitgeber für die betriebliche Weiterbildung immer dünner, obwohl
doch alle lebenslanges Lernen propagieren.
Unsere Gesellschaft wird immer älter. Können es sich Betriebe da
überhaupt noch leisten,
Beschäftigte im besten Alter als "altes Eisen"
abzustempeln und nicht mehr zu fördern?
Lück: Nein, es wird zukünftig immer wichtiger sein,
dass sich Unternehmen "demografiefest" machen. Es geht darum, dass sie
für Jüngere attraktiv sind und so dem demografischen Wandel zum Trotz
Nachwuchskräfte gewinnen. Gleichzeitig sollten Betriebe ihre
Beschäftigten fördern und ihnen ermöglichen, an ihrem Arbeitsplatz
gesund und leistungsfähig das Rentenalter zu erreichen. Dafür sollten
Firmen attraktive Arbeitsbedingungen bieten, etwa flexible
Arbeitszeiten, interessante Tätigkeiten und Aufstiegschancen. Am
günstigsten ist es, wenn Betriebe rechtzeitig für eine gesunde Mischung
aller Altersgruppen im Betrieb sorgen. Damit verhindern sie, dass ein
großer Teil der Belegschaft - und mit ihm wertvolle Erfahrungen und
Kompetenzen - zur gleichen Zeit weg bricht.
Warum ist eine Mischung aus jüngeren und älteren Beschäftigten sinnvoll?
Lück: Von einer guten Zusammenarbeit der
Generationen im Betrieb profitieren alle - Beschäftigte und Unternehmen,
gerade wenn es um den Erhalt des gesammelten Wissens geht. Betriebe
sollten daher rechtzeitig ein Wissensmanagement einführen, in dem ältere
Beschäftigte ihr enormes Erfahrungswissen systematisch an die Jüngeren
weitergeben. Am besten gelingt das durch kontinuierliche Zusammenarbeit
zum Beispiel in altersgemischten Teams, nicht erst kurz vor dem
Ausscheiden von Mitarbeitern. Passiert das nicht, geht viel Know-how
verloren. Es hat sich auch gezeigt, dass altersgemischte Teams unter
bestimmten Voraussetzungen die besten Ergebnisse liefern. Dazu braucht
es allerdings gute, vorurteilsfreie Führungskräfte, die das Miteinander
der Generationen unterstützen.
Welche Stärken haben ältere Beschäftigte, welche jüngere?
Lück: Jeder hat natürlich persönliche Stärken und
Schwächen, das gilt auch im Alter. Jüngere Beschäftigte verfügen meist
über mehr Kraft, Schnelligkeit, Konzentrationsfähigkeit, zeigen
Risikobereitschaft und kennen sich sehr gut mit neuen Medien wie dem
Internet und mit Trends aus. Die Stärken der Generation 50-plus liegen
in ihrer meist hohen sozialen Kompetenz, beruflichen Erfahrungen und
Expertenwissen. Außerdem identifizieren sie sich häufig stärker mit
ihrem Unternehmen als Jüngere, die noch an ihrer Karriere feilen und
eher zu einem Jobwechsel bereit sind.
Wie schaffen es Unternehmen, sowohl für jüngere als auch für ältere Beschäftigte attraktiv zu sein?
Lück: Es gibt viele Stellschrauben, an denen
Unternehmen drehen können - angefangen bei guten und altersgerechten
Arbeitsbedingungen über Lernmöglichkeiten, Gesundheitsförderung und
Mitarbeiterbeteiligung bis hin zu systematischer Laufbahnplanung. Da
bietet man Mitarbeitern unterschiedliche Karrierechancen, die nicht nur
den Aufstieg, sondern auch den Wechsel in besser passende Tätigkeiten
berücksichtigen. Eine Unternehmenskultur, in der alle Altersgruppen
miteinander arbeiten und voneinander profitieren, trägt ebenfalls zu
einem positiven Image bei. Eine solche Kultur wird stark von den
Führungskräften beeinflusst. Unternehmen sollten daher darauf achten,
dass Führungskräfte die Kompetenzen jedes einzelnen Mitarbeiters auch
bezogen auf die unterschiedlichen Lebensphasen fördern. Die interne
Weiterbildung sollte ebenfalls altersangepasste Angebote bereithalten.
So trägt man den Lernbedürfnissen und -erfahrungen verschiedener
Generationen Rechnung.
Was können Beschäftigte selbst tun, um die beruflichen Anforderungen bis ins Rentenalter gut zu bewältigen?
Lück: Wer sich ausgewogen ernährt, sich regelmäßig
bewegt, versucht, den Stress im Griff zu behalten und neben dem Beruf
Zeit für Familie und Hobbys reserviert, trägt selbst viel dazu bei,
gesund und belastbar zu bleiben. Wichtig ist aber auch, dass
Beschäftigte jeden Alters bereit sind, sich weiterzubilden und die
Möglichkeit dazu bei ihrem Arbeitgeber auch einfordern. Zudem kann jeder
versuchen, die Arbeitsbedingungen mitzugestalten und sich mit Kollegen
und Chef über Verbesserungsmöglichkeiten auszutauschen.
Wie können Betriebe ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, gesund bis zur Rente zu arbeiten?
Lück: Gerade hier ist eine gute Personalarbeit
besonders wichtig. So sollten Unternehmen allen Mitarbeitern
Weiterbildungen anbieten. Den Führungskräften kommt hier eine besondere
Motivationsrolle zu. Außerdem muss eine Laufbahnplanung stärker Wechsel
in einen anderen, gleichwertigen Tätigkeitsbereich ermöglichen, um auf
die Fähigkeiten in den verschiedenen Lebensphasen Rücksicht zu nehmen.
Arbeit und Umfeld sollen nicht nur belastungsfrei sein, sondern auch
Entwicklungschancen ermöglichen. Das heißt auch, dass Arbeitsplätze an
veränderte Bedürfnisse der Generation 50-plus angepasst werden. Das
können zum Beispiel die Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes mit
besserer Beleuchtung und größerer Bildschirmschrift sein oder
Alternativen zu schwerer körperlicher Arbeit und zu Schicht- oder
Nachtarbeit. Verschiedene Arbeitszeitmodelle eröffnen ebenfalls
Möglichkeiten, um Bedürfnissen älter werdender Mitarbeiter gerecht zu
werden.
Weitere Informationen zum Thema:
AOK-Service "Gesunde Unternehmen"
Das Demographie Netzwerk
Initiative Neue Qualität der Arbeit
Quelle: AOK-MediendienstStand: 05/10