Menschen mit Demenz verlieren mehr und mehr die Kontrolle über ihr Gedächtnis, Urteilsvermögen, Planen, Denken und damit über sich selbst. Sie zu betreuen, ist für Angehörige sehr anstrengend und belastend. Wie Pflegende diese Herausforderung bewältigen können und welche Unterstützungsangebote es gibt, erklärt Christian Hassel, Pflegeexperte im AOK-Bundesverband.
Mehr als die Hälfte der etwa 1,3 Millionen Demenzkranken in Deutschland wird zu Hause betreut. Die Pflege eines Demenzkranken kann sich mit der Zeit zu einem Full-time-Job entwickeln. Viele pflegende Angehörige geben dafür ihren Beruf auf, schränken soziale Kontakte ein, haben für Hobbys, Urlaub und Erholung wenig oder keine Zeit. Häufig verändert sich die bisherige Rollenverteilung in der Familie; etwa, wenn der früher dominante Vater plötzlich auf die Hilfe seiner Tochter angewiesen ist. Auch alte Konflikte in der Familie können durch die Pflegesituation wieder aufbrechen.
"Die Pflege wird leichter, wenn Angehörige mehr über die Erkrankung wissen", sagt Hassel. Persönliche Beratung bieten zum Beispiel die Pflegeberater der AOK an. Pflegende Angehörige sollten sich zudem nach entsprechenden Pflegekursen erkundigen, die die AOKs kostenfrei anbieten. Darin vermitteln Fachleute Basiswissen für den Pflegealltag. Auf Wunsch kommen sie für individuelle Schulungen nach Hause.
Sinnvoll ist es, mit allen Familienmitgliedern zusammen zu überlegen, wer welchen Beitrag leisten kann und inwieweit professionelle oder ehrenamtliche Helfer unterstützen können. "Am besten ist es, die Betreuung auf mehrere Schultern zu verteilen", empfiehlt Pflegeexperte Hassel.
Kranke in alltägliche Arbeit mit einbeziehen
Routinen und eine überschaubare Umgebung geben ihm Sicherheit. Sinnvoll ist zum Beispiel ein gleich strukturierter Tagesablauf. "Lassen Sie den Kranken so viel wie möglich selber machen und beziehen Sie ihn in tägliche Arbeiten im Haushalt mit ein", rät Hassel. So kann beispielsweise die demenzkranke Mutter bei der Gartenarbeit und bei der Zubereitung des Mittagessens helfen. "Das gibt ihr das Gefühl, gebraucht zu werden und stärkt ihr Selbstwertgefühl", sagt Hassel. Empfehlenswert ist es, den Kranken Aufgaben zu geben, die sie früher gerne oder häufig gemacht haben, sie aber auch nicht zu überfordern. Kleine Zettel mit Informationen zum Tagesablauf, eine Einkaufsliste oder ein Merkzettel am Herd sind nützliche Hilfsmittel.
"Schöne Erinnerungen lassen die Betroffenen oft aufblühen", weiß
Hassel. Beispielsweise können Angehörige mit dem erkrankten Vater alte
Fotos ansehen, Musik hören, singen oder das frühere Lieblingscafé
besuchen. Da das Gedächtnis im Laufe der Zeit immer mehr nachlässt, kann
es auch sinnvoll sein, gemeinsam ein Erinnerungsalbum anzulegen. Darin
werden wichtige Ereignisse aus dem Leben festgehalten, etwa anhand von
Fotos, Urkunden und Reiseandenken.
Viel Fingerspitzengefühl benötigen Pflegende bei der Kommunikation, da diese im Verlauf der Demenz für den Betroffenen zunehmend schwieriger wird. Er vergisst immer häufiger, was er sagen will und kann Gesprächen bald kaum noch folgen. Gleichzeitig hat der Kranke aber ein gutes Gespür für Stimmungen; er spürt beispielsweise, wenn Pflegende genervt oder ärgerlich sind.
Kommunikation - gewusst wie
Damit es nicht zu Überforderung und Frust kommt, sollten Angehörige daher einige Regeln beachten:
- Reden Sie langsam, deutlich und in kurzen Sätzen.
- Nennen Sie nur eine Aufforderung auf einmal.
- Stellen Sie direkte Fragen, die die Kranken mit Ja oder Nein beantworten können. Fragen Sie zum Beispiel "Möchtest Du ein Ei zum Frühstück" statt "Was möchtest Du zum Frühstück?".
- Vermeiden Sie Fragen, die eine Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten verlangen.
- Gehen Sie respektvoll mit Demenzkranken um.
- Sehen Sie sie beim Reden an und lassen Sie ihnen Zeit zum Antworten.
- Wiederholen Sie wichtige Informationen.
- Überhören Sie Anschuldigungen und Vorwürfe, denn diese sind oft Ausdruck von Hilflosigkeit und Frustration und richten sich nicht gegen Sie persönlich. Lassen Sie einen Moment verstreichen und wechseln Sie dann das Thema.
- Vermeiden Sie Diskussionen, auch wenn Ihnen manches, was der Demenzkranke sagt, unsinnig erscheint. Körperliche Zuwendung wie Streicheln oder in den Arm nehmen kann beruhigen und erzeugt oft eine größere Nähe als jedes Gespräch.
- möglichst ruhig und gelassen zu bleiben,
- kurz den Raum zu verlassen, wenn Sie merken, dass Sie selbst wütend werden,
- den Angehörigen zu beruhigen und abzulenken.
Unterstützung für die Helfer
Viele Menschen, die an einer Demenz leiden, brauchen nur wenig pflegerische Unterstützung. Trotzdem sind sie auf Hilfe angewiesen, da sie sich im Alltag nicht mehr zurechtfinden. Je nach Ausprägung ihrer demenziellen Erkrankung können sie zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, und zwar in Höhe von 100 Euro monatlich, wenn ihre "Alltagskompetenz" erheblich eingeschränkt ist, oder von 200 Euro monatlich, wenn bei ihnen eine "in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz" festgestellt wurde.
Dieses Geld können sie für Betreuungsleistungen in einer der folgenden Einrichtungen verwenden:
- Tages- oder Nachtpflegeeinrichtung
- Kurzzeitpflegeeinrichtung
- Anleitungs- und Betreuungsangebote von zugelassenen Pflegediensten
- niedrigschwellige Betreuungsangebote, die nach Landesrecht gefördert werden.
Eine Verschnaufpause verschaffen pflegenden Angehörigen auch ehrenamtliche Helfer, die mit den Kranken zum Beispiel spazieren gehen, singen, zeichnen oder Essen zubereiten. "Pflegeberater der AOK informieren Sie darüber, welche Unterstützungsangebote es in Ihrer Nähe gibt", sagt Hassel. Sie können auch den Kontakt zu Gesprächskreisen und Selbsthilfegruppen herstellen.
Tipps im Netz
Die AOK bietet pflegenden Angehörigen im Internet einen umfassenden Service an: Im AOK-Pflegeportalfinden sie Informationen rund um die Pflege und auch zum Thema Demenz. Sie erfahren beispielsweise, wie sie den Alltag gestalten können und was bei der Körperpflege und der Ernährung von Menschen mit Demenz zu beachten ist.
Weitere Informationen gibt es auf folgenden Seiten:
Bundesfamilienministerium
Deutsche Alzheimer Gesellschaft
Bundesgesundheitsministerium