Montag, 8. April 2013

Schizophrenie - wenn sich die Wahrnehmung verändert

Stimmen, die andere nicht hören, das Gefühl, dass Gedanken eingegeben werden, Verfolgungswahn, ungewöhnliches Verhalten, unzusammenhängende Sprechweise: All das können Anzeichen für Schizophrenie sein. "Das ist eine häufige und schwere Form der psychotischen Erkrankung, bei der die Betroffenen zeitweise den Bezug zur Realität verlieren können", sagt Dr. Christiane Roick, stellvertretende Leiterin des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband.

Etwa ein Prozent der Bevölkerung weltweit erkrankt mindestens einmal im Leben an Schizophrenie, schätzt das Kompetenznetz Schizophrenie. In Deutschland leiden etwa 800.000 Menschen unter der Erkrankung, die meist zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr erstmals auftritt. Laut Robert-Koch-Institut erleben 20 bis 25 Prozent der Betroffenen nur eine einmalige akute Krankheitsphase. Ein Großteil der Patienten hat mehrere Rückfälle. Bei zehn bis 30 Prozent der Betroffenen verschlechtert sich die Erkrankung zunehmend.

Keine gespaltene Persönlichkeit


Der Begriff "Schizophrenie" wurde 1911 von dem Psychiater Eugen Bleuler eingeführt und bedeutet im Wortsinn "gespaltenes Bewusstsein". "Damit ist gemeint, dass bei der Schizophrenie neben normalen Verhaltensmustern durch die Erkrankung veränderte Wahrnehmungen und Verhaltensweisen auftreten können wie das Gefühl, verfolgt zu werden", erklärt AOK-Medizinerin Roick. Anders als häufig angenommen, haben schizophren erkrankte Menschen aber keine gespaltene Persönlichkeit wie die literarische Figur des Dr. Jekyll und Mister Hyde. Diese Fehlinterpretation hat dazu geführt, dass die Erkrankung in der öffentlichen Wahrnehmung unberechtigterweise oft mit Gefährlichkeit gleichgesetzt wird. Die Patienten leiden sehr darunter, dass sie als unberechenbar oder verrückt abgestempelt werden. Viele scheuen sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung haben.

Der Verlauf einer Schizophrenie ist sehr unterschiedlich. Häufig tritt zunächst eine Vorphase auf mit unspezifischen Anzeichen wie sozialem Rückzug, ungewöhnlichem Verhalten, einem Leistungsknick oder Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes. In den akuten Krankheitsphasen können Wahnvorstellungen, Denkstörungen und Sinnestäuschungen (Halluzinationen) auftreten. "Die Betroffenen beziehen zum Beispiel Ereignisse aus der Umgebung auf sich, die nichts mit ihnen zu tun haben", sagt Roick. Einige sind dann etwa davon überzeugt, dass Radionachrichten versteckte Botschaften an sie enthalten.

Typisch ist auch eine gestörte Ich-Funktion: Dabei ist die Grenze zwischen der eigenen Person und der Umwelt verschoben. Die Patienten können dann das Gefühl haben, dass ihnen Gedanken von außen eingegeben oder entzogen werden.

Nach den akuten Krankheitsphasen verschwinden diese Symptome bei den meisten Patienten wieder ganz oder teilweise. Viele Patienten leiden dann jedoch unter Antriebsproblemen. Sie haben Schwierigkeiten, Gefühle zu zeigen und Entscheidungen zu treffen. Dies führt häufig dazu, dass sie sich zurückziehen und nur noch eingeschränkt erwerbsfähig sind.

Diagnose wird anhand von Leitsymptomen gestellt


Für die Diagnose einer Schizophrenie werden Leitsymptome herangezogen, die auf internationalen Richtlinien beruhen. Außerdem müssen andere Erkrankungen, beispielsweise hirnorganische Schädigungen, ausgeschlossen werden. Je nachdem, welche Symptome vorherrschen, werden verschiedene Subtypen der Schizophrenie unterschieden. Während die Betroffenen bei der häufigen paranoiden Form unter Wahnvorstellungen und Wahrnehmungsstörungen wie Halluzinationen leiden, können sich bei der katatonen Schizophrenie Extreme wie starke Erregung und Bewegungslosigkeit abwechseln.

Frühzeitige Behandlung ist wichtig


"Wichtig ist, dass die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt wird", sagt AOK-Ärztin Roick. Medikamentös behandelt wird eine Schizophrenie in erster Linie mit Neuroleptika. Diese verringern die Symptome bei den meisten Patienten deutlich und reduzieren die Häufigkeit akuter Krankheitsepisoden. Zusätzlich können Psychoedukationskurse den Patienten und ihren Angehörigen helfen. Dort erhalten sie Informationen über die Erkrankung und deren Behandlung. Außerdem erfahren die Patienten, wie sie die Krankheit bewältigen können. Soziotherapeutische Angebote können Patienten mit besonderer Krankheitsschwere dabei unterstützen, ihre Kontaktfähigkeit, Belastbarkeit und Ausdauer zu verbessern sowie verordnete Leistungen zu nutzen. Hilfreich können auch Angebote wie Kontakt- und Beratungsstellen, Tagesstätten sowie beschützte Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten sein.

Warum manche Menschen an einer Schizophrenie erkranken, ist noch weitgehend unklar. Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine genetische Veranlagung zu einer erhöhten Anfälligkeit führt. Außerdem können biologische Faktoren das Risiko erhöhen. Dazu gehören Störungen der Gehirnentwicklung durch Komplikationen während oder nach der Geburt. Auch der Konsum von Drogen wie Cannabis erhöht das Risiko für eine schizophrene Psychose. Wenn Menschen durch diese Faktoren anfällig sind, können sie belastende Lebensereignisse unter Umständen nicht mehr angemessen bewältigen, so dass sich eine schizophrene Psychose entwickeln kann.

Weitere Informationen zum Thema Schizophrenie gibt es beim Kompetenznetz Schizophrenie und in der Gesundheitsberichterstattung des Robert-Koch-Instituts.