Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland hat nach einem Anstieg zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts ab 2004/2005 ein Plateau erreicht, auf dem die Zahl der Neuinfektionen seitdem mit relativ geringen Auf- und Abwärtsbewegungen schwankt. Für das Jahr 2012 werden rund 3.400 Neuinfektionen geschätzt (2011: 3.300), die Zahl der Todesfälle beträgt unverändert gegenüber dem Vorjahr etwa 550. „Diese Zahlen unterstreichen, dass die Anstrengungen zur Vermeidung von Infektionen weiterhin hohe Priorität und ausreichende Finanzierung erfordern“, betont Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts. Die neue Schätzung ist im Epidemiologischen Bulletin 47/2012 veröffentlicht.
Die am stärksten betroffene Gruppe sind weiterhin Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Bei MSM kam es Ende der Neunzigerjahre zu einer deutlichen Zunahme von Neuinfektionen, die etwa ab 2004 in eine Plateau-Phase übergegangen ist. Innerhalb dieser Plateau-Phase gab es einen leichten Anstieg bis 2006, einen leichten Rückgang bis 2010 und einen erneuten leichten Anstieg seit 2011. Diese Veränderungen stehen vermutlich auch in Zusammenhang mit der seit Ende der neunziger Jahre deutlich gestiegenen Verbreitung weiterer sexuell übertragbarer Infektionen bei MSM, die Neuinfektionen mit und Weiterübertragung von HIV begünstigen. Der leichte Anstieg seit 2011 hängt wahrscheinlich mit dem erneuten deutlichen Anstieg der Syphiliszahlen seit Anfang 2010 zusammen. Eine schnelle Diagnose und Behandlung von Syphilis und anderen sexuell übertragbaren Infektionen kann daher dem Anstieg der HIV-Neuinfektionen entgegenwirken. Von den 78.000 HIV-Infizierten in Deutschland sind schätzungsweise etwa 51.000 Männer, die Sex mit Männern haben.
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist zu unterscheiden von der Zahl der (dem RKI gemeldeten) HIV-Neudiagnosen. Die HIV-Infektion, die oftmals unbemerkt erfolgt, und der Test, mit dem eine Infektion nachgewiesen wird, können zeitlich weit auseinander liegen. Die Zahl der Neuinfektionen kann daher nur geschätzt werden. Die aktuelle Schätzung ist nicht direkt mit den Schätzungen vorangegangener Jahre vergleichbar, da jede neue Modellierung auf Grund zum Teil veränderter Annahmen und Methoden für den gesamten Zeitverlauf neue Werte ergibt.
Solche Schätzungen sind mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, insbesondere gegenwärtige Trends können über- oder unterschätzt werden. So hatte die zum Welt-AIDS-Tag 2011 veröffentlichte Schätzung für 2010 und 2011 einen Rückgang der Zahl der jährlichen Neuinfektionen ergeben, der nach der aktuellen Berechnung jedoch deutlich schwächer war und bereits 2011, zum Teil auf Grund der Zunahme der HIV-Meldungen ab der zweiten Jahreshälfte 2011, in einen erneuten leichten Anstieg überging.
Weitere Informationen: www.rki.de > Infektionskrankheiten A-Z
Stand: 26.11.2012