Körperliche Aktivität kommt im normalen Tagesablauf vieler Menschen,
auch im Leben der Kinder und Jugendlichen, kaum noch vor. Arbeit findet
meist im Sitzen statt, Rolltreppen und Fahrstuhl ersetzen das
Treppensteigen, Computerspiele das Toben im Freien. Vor dieser
Entwicklung warnen Kardiologen und Internisten, denn Bewegungsmangel ist
ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung und das Fortschreiten
einer koronaren Herzkrankheit (KHK).
Diese ist dadurch charakterisiert,
dass sich Herzkranzgefäße in einem langen schleichenden Prozess
verengen, so dass die Durchblutung des Herzens behindert wird.
Schlimmstenfalls kommt es zu Herzinfarkt und Herzschwäche. Allein in
Deutschland sind etwa 2,34 Mio. Frauen und 3,16 Mio. Männer von einer
KHK betroffen.* Über 59.000 Menschen sterben bundesweit jedes Jahr an
einem Herzinfarkt.
Bewegungsmangel: Wesentlicher KHK-Risikofaktor
„Dass die KHK so gehäuft auftritt, ist zum großen Teil das Ergebnis
unseres ungesunden Lebensstils. Bewegungsmangel ist ein wesentlicher
Risikofaktor für die Entstehung und das Fortschreiten einer KHK“, sagt
der Kardiologe PD Dr. med. habil. Stephan Gielen, stv. Direktor der
Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III/Kardiologie am
Universitätsklinikum Halle (Saale). Zwar spielen Alter, erbliche
Belastung und Geschlecht eine wichtige Rolle, jedoch entstehen die vier
wichtigsten KHK-Risikofaktoren Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung
(erhöhtes Cholesterin) und Diabetes hauptsächlich durch eine falsche
Ernährung (zu viele Kalorien, zu viel Fett und Zucker), Mangel an
Bewegung, Übergewicht, Rauchen und Stress. „Deshalb setzen wir auf die
konsequente Vermeidung und Behandlung dieser Risikofaktoren durch einen
gesunden Lebensstil. Dabei spielt die körperliche Aktivität eine
wesentliche Rolle“, betont der Herzspezialist.
Schutzfaktoren
Ausdaueraktivitäten wie flottes Gehen, Radfahren, Walken, Joggen,
Schwimmen wirken sich grundsätzlich günstig auf das Herz aus und können
das Auftreten einer KHK hinauszögern oder verhindern. Die Deutsche
Herzstiftung empfiehlt ein Training von mindestens 30 Minuten, 4- bis
5-mal pro Woche. „Dadurch wird die Leistungsfähigkeit erhöht, die
Lebenserwartung verbessert und das Herz geschützt“, bestätigt PD Gielen.
Wichtig: Menschen mittleren Alters, die lange nicht wirklich körperlich
aktiv waren, sollten sich vor Aufnahme einer intensiven
Ausdauerbewegung ärztlich untersuchen lassen.
Warum ist Bewegungstherapie bei KHK so wirksam?
Leidet ein Patient bereits an einer KHK, so ist ein gesunder Lebensstil
mit regelmäßiger körperlicher Aktivität Basis jeder Therapie der KHK,
ganz gleich, ob die Behandlung mit Medikamenten, Stents oder Bypass
durchgeführt wird. „Inzwischen hat sich körperliche Aktivität zu einem
wichtigen zusätzlichen Therapiekonzept in der Behandlung der KHK
etabliert. Aus Erfahrung im Herz- und Gefäßsport wissen wir, dass sich
keine Therapieform derart günstig auf die Lebensqualität der Patienten
auswirkt wie das körperliche Training“, stellt PD Gielen fest. Auch für
die Bewegungstherapie bei KHK gelten die Schutzfaktoren körperlicher
Ausdaueraktivität von mindestens 30 Minuten, 4- bis 5-mal pro Woche: die
körperliche Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung werden verbessert,
der Herzmuskel besser durchblutet, die Risikofaktoren Übergewicht, hohe
Blutfett- und Blutdruckwerte werden günstig beeinflusst. Das
Fortschreiten der KHK wird gebremst.
Allerdings sind diese Effekte durch Krafttraining nicht zu erreichen,
Krafttraining kann aber ergänzend eingesetzt werden. Denn Kraft und
Flexibilität einzelner Muskelgruppen werden verbessert. Auch hat
Bewegungstherapie mit langsamen Dehnungen (z. B. Tai-Chi, Gymnastik,
Yoga) – so günstig sie für die Entspannung bei Stress ist – nicht die
Effekte regelmäßiger Ausdauerbewegung, weil große Muskelgruppen
aktiviert werden müssen, um günstige Auswirkungen auf die KHK zu haben.
Achtung: Die Trainingsintensität muss bei Herzpatienten immer vom Arzt
individuell ermittelt und dosiert werden, um den gewünschten Effekt zu
erzielen und Komplikationen zu vermeiden.
Fest steht: Regelmäßige Bewegung lohnt sich immer, weil sie neben dem
Wohlbefinden auch das Abnehmen, den Stressabbau und das Loskommen vom
Rauchen befördert. „Angestrebt werden sollte mindestens eine aktivere
Lebensweise, die Spazierengehen, Treppensteigen und Gartenarbeit mit
einbezieht. Jedes Mehr an körperlicher Aktivität über das Alltagsniveau
hinaus ist als positiv einzustufen“, betont der Kardiologe PD Gielen.
*Nach Angaben des Instituts für Herzinfarktforschung in Ludwigshafen
Ein neuer Experten-Ratgeber „Herz in Gefahr – Koronare Herzkrankheit
erkennen und behandeln“, herausgegeben von der Deutschen Herzstiftung,
informiert über Möglichkeiten der Vorbeugung, Diagnose und Behandlung
der koronaren Herzkrankheit nach dem heutigen Stand der Medizin in einer
Sprache, die jeder versteht. Patienten erhalten wertvolle Ratschläge
für den Umgang mit der Erkrankung. Alle Beiträge sind von namhaften
Herzexperten geschrieben. Der Band (136 S.) ist für drei Euro in
Briefmarken erhältlich bei: Deutsche Herzstiftung e. V., Vogtstr. 50,
60322 Frankfurt/M.
31/2012