Dienstag, 7. Mai 2013

Burn-out: Wenn Begeisterung in Erschöpfung umschlägt


Nicht nur Menschen in helfenden Berufen und Manager, sondern prinzipiell jeder Beschäftigte kann ein Burn-out erleiden. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet "ausbrennen". Anzeichen können chronische Erschöpfung, eine ungewohnt negative Einstellung und Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Magenschmerzen sein. "Nehmen Sie Warnsignale ernst und sorgen Sie regelmäßig für Ausgleich zum stressigen Berufsleben. So können Sie einem Burn-out vorbeugen", sagt Regina Herdegen, Präventionsexpertin im AOK-Bundesverband.

Bei der leitenden Angestellten Beate S. (Name geändert) kam die Einsicht, dass es so nicht weitergehen konnte, nach dem Nervenzusammenbruch. Zuvor hatte ihr Chef ihr immer mehr Arbeit aufgebürdet. Weil sie sich für unentbehrlich hielt, arbeitete die 35-Jährige immer härter und länger. Zugleich plagte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie für ihre Tochter kaum noch Zeit hatte. Die Kleine litt sehr darunter und fiel im Kindergarten durch Hyperaktivität auf. 

In der Folge wurde Beate S. zunehmend gereizt und aggressiv. Sie gab ihrem Mann die Schuld, dass alles schief lief und stritt häufig mit ihm. Zugleich rebellierte ihr Magen immer öfter. Schließlich war der Druck so groß, dass sie zusammenbrach. Sie wurde krankgeschrieben und begann eine Psychotherapie.

Klare Ziele setzen


Um nicht wieder krank zu werden, setzte sich Beate S. klare Ziele: Sie wollte künftig mehr Zeit mit ihrer Tochter verbringen und weniger arbeiten. Das erklärte sie nach der Rückkehr in den Job auch ihrem Chef, der dies akzeptierte. Statt abends noch einmal in die Firma zu fahren, um Liegengebliebenes zu erledigen, spielte sie mit ihrer Tochter. Ihr Magen beruhigte sich wieder und die Beziehung zu ihrem Mann besserte sich.

Beate S. ist kein Einzelfall. Viele Menschen in Deutschland fühlen sich durch berufliche Dauerbelastungen ausgebrannt. So kann etwa durch hohe Anforderungen, Zeitdruck, geringe Handlungsspielräume und ein schlechtes Arbeitsklima Dauerstress entstehen. Dabei ist der Körper permanent in Alarmbereitschaft. Folgt auf diese Anspannung keine Entspannung mehr, kann dies krank machen.

Prinzipiell können Beschäftigte aller Branchen ein Burn-out entwickeln – davon ist Matthias Burisch überzeugt. Der Psychologie-Professor lehrt an der Universität Hamburg und hat ein Buch zum Burn-out-Syndrom veröffentlicht. Seiner Ansicht nach ist es nicht entscheidend, welchen Job man macht, sondern wie man ihn ausübt, mit welcher Haltung und Motivation. Burisch unterscheidet grob zwischen zwei Typen von Menschen, die besonders gefährdet sind, ein Burn-out zu erleiden: Sogenannten aktiven Typen, die sich voll und ganz für eine Sache einsetzen und sich dadurch selbst unter permanenten Druck setzen und sogenannten passiven Typen, die zu anderen nicht „nein“ sagen können und nicht selbstbewusst genug sind, um eigene Ziele zu erreichen.

Ein Burn-out tritt nicht plötzlich auf, sondern entwickelt sich langsam, oft über Jahre hinweg. Laut Burisch engagieren sich Beschäftigte in der Anfangsphase meist überdurchschnittlich für ihre Ziele. Obwohl sie sich bereits erschöpft fühlen, erholen sie sich nicht, sondern verdrängen die Anstrengung und Enttäuschungen durch noch stärkeren Einsatz. Im weiteren Prozess lässt ihr Engagement jedoch nach, die positive Arbeitseinstellung geht verloren. Viele fühlen sich ausgebeutet und haben Konflikte mit ihrem Partner. Sie sind zunehmend gereizt und reagieren aggressiv oder sind niedergeschlagen. Ihre Leistungsfähigkeit, Motivation und Kreativität nehmen immer mehr ab. Schließlich werden sie zunehmend gleichgültig, ziehen sich zurück und geben häufig private Interessen auf. In einer weiteren Stufe des Burn-out-Prozesses leiden die Betroffenen unter psychosomatischen Beschwerden wie Schmerzen oder Magenproblemen. Zuletzt sind sie völlig verzweifelt, viele haben Selbstmordabsichten.

Hilfe beim Arzt suchen


"Wer in einer Burn-out-Phase steckt, sollte zu einem Arzt oder Therapeuten gehen", rät Präventionsexpertin Herdegen. Betroffene sollten die bestehende Situation und vor allem ihre Einstellung dazu ändern, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Je früher Warnsignale erkannt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Teufelskreis des Burn-outs durchbrochen werden kann. "Achten Sie bei sich auf Signale für Überarbeitung, Stress oder Erschöpfung", empfiehlt Herdegen. Wer sich ausgelaugt fühlt, dem können sogenannte Achtsamkeitsübungen helfen. Dabei konzentriert man sich einen Moment lang auf das, was man gerade tut, etwa wie man läuft, steht, sitzt oder isst. Wichtig ist es, diese Handlung weder zu bewerten noch zu verändern – auf diese Weise kann man für einen Moment zur Ruhe kommen.

Um Überforderung vorzubeugen, kann es auch helfen, die eigenen Grenzen zu kennen und anderen Grenzen zu setzen – also auch einmal Arbeit abzulehnen oder zu delegieren. Um das zu schaffen, müssen Arbeitnehmer meist ihre eigene Einstellung hinterfragen und ändern – etwa den Wunsch, es allen Recht machen zu wollen, um Anerkennung zu erhalten. "Sich abzugrenzen und auch einmal ‚nein‘ zu sagen, kann man lernen", sagt Herdegen.
Neben einer guten Zeiteinteilung ist es wichtig, während der Arbeit regelmäßig Pausen einzulegen, um zu verschnaufen. So können ein Spaziergang an der frischen Luft oder ein kurzer Plausch mit Kollegen dazu beitragen, den Kopf frei zu bekommen und neue Energie zu tanken.


Hobbys sorgen für Ausgleich


"Sorgen Sie in Ihrer Freizeit auch gezielt für Ausgleich zum Berufsleben. Gehen Sie zum Beispiel Hobbys nach, treffen Sie sich mit Freunden oder tun Sie einfach mal nichts", empfiehlt Herdegen. So können Arbeitnehmer ihren "Akku" wieder aufladen. Regelmäßige Bewegung hilft ebenfalls, Stress abzubauen und abzuschalten. Wer gezielt entspannen möchte, kann außerdem Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Atemübungen ausprobieren. "Dabei empfiehlt es sich, zunächst einen Kurs zu belegen, um die Techniken richtig zu erlernen", rät Herdegen. Anschließend kann man die Übungen meist auch alleine zu Hause praktizieren.