Samstag, 23. März 2013

Eine Depression kann jeden treffen


Psychische Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen nehmen zu, das zeigen Analysen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Etwa 15 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer in Deutschland durchleben im Laufe ihres Lebens eine depressive Phase, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dennoch sind psychische Störungen in unserer Gesellschaft oft noch mit einem Tabu behaftet. Zum Thema hat Ulrike Plogstieß, Diplom-Psychologin im AOK-Bundesverband einige Fragen beantwortet und plädiert für mehr Sensibilität im Umgang mit psychisch Erkrankten.

Nahezu jeder zehnte krankheitsbedingte Ausfalltag ist auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen – das verdeutlichen Zahlen des WIdO. Warum werden psychische Störungen trotzdem immer noch tabuisiert?

Plogstieß: Für Betroffene, Angehörige und Außenstehende ist der Umgang mit einer psychischen Störung nach wie vor mit Angst, Scham, Abwehr und Vorurteilen verbunden, wenngleich die Tabuisierung in den vergangenen Jahren abgenommen hat. Psychische und emotionale Leiden spielen sich im Inneren eines Menschen ab und sind für Außenstehende, aber auch für die Betroffenen selbst, meist nicht greifbar. Mangelnde Kenntnisse über das Funktionieren der menschlichen Psyche sind ein fruchtbarer Boden für Vorurteile, wie zum Beispiel psychisch Kranke seien von einer "Geisteskrankheit" betroffen, es mangele ihnen an Willensstärke oder sie seien wenig belastbar. Wahr hingegen ist, dass sich niemand schämen muss, wenn er unter einer psychischen Störung leidet - genauso wenig wie bei einer körperlichen Erkrankung, etwa Diabetes oder Krebs. So wie sich jeder einen Arm brechen kann, so kann jeder auch an einer Depression erkranken.

Wieso nehmen psychische Erkrankungen zu?

Plogstieß: Einerseits sind die Ärzte heute sensibilisierter für das psychische Befinden ihrer Patienten und erkennen eher psychosomatische Zusammenhänge. Aber auch die umfangreiche öffentliche Berichterstattung spielt eine Rolle. Denken Sie nur an die vielen Berichte über Burnout, durch die die Wahrnehmung psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung steigt. Andererseits belasten Veränderungen in der Arbeitswelt Beschäftigte zunehmend auch psychisch: Termin- und Leistungsdruck, Rationalisierungsmaßnahmen, hohe Mobilität und bei erwerbstätigen Müttern häufig auch die Doppelbelastung durch Beruf und Familie. Dazu kommt die große Informationsflut durch Smartphones und Co.

Wie sollte im beruflichen Umfeld darauf reagiert werden?

Plogstieß: Vor allem Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bieten Möglichkeiten, arbeitsbedingten Überlastungen und daraus resultierenden Arbeitsausfällen entgegenzuwirken. Dazu zählen Angebote zur Entspannung und Stressbewältigung, Hilfen bei der Bewältigung von Konflikten und Schulungen von Führungskräften. Gesundheit ist eine Führungsaufgabe, und die wird nicht zuletzt im Hinblick auf den demografischen Wandel immer wichtiger. Beim Thema "psychische Gesundheit" ist besondere Sensibilität mit den Betroffenen gefragt. Ein psychisches Leiden sollte immer ernst genommen werden. Haltungen wie "Da muss man sich mal zusammenreißen" helfen psychisch Kranken gar nicht, im Gegenteil. Solch ein sensibler, respektvoller und wertschätzender Umgang kann erlernt werden und gilt für Kollegen und Vorgesetzte gleichermaßen.

Was sollten psychisch Kranke tun?

Plogstieß: Die psychische Gesundheit ist für die Lebensqualität eines Menschen mindestens so wichtig wie die körperliche Gesundheit. In den meisten Fällen ist eine psychische Störung sehr gut behandelbar und Erkrankte können bei richtiger Unterstützung ihre berufliche Leistungsfähigkeit wiedererlangen. Wer unter psychischen Problemen leidet, sollte daher frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Betroffene sollten sich an ausgebildete Fachleute wenden, also an anerkannte Psychotherapeuten. Bei der Suche hilfreich ist der Psychotherapie-Informationsdienst. Das erste Gespräch über ein psychisches Leiden können Betroffene mit dem Hausarzt führen, um dann weitere Möglichkeiten zu besprechen, etwa die einer Psychotherapie.

Neben der Sensibilisierung für psychische Störungen ist auch Prävention wichtig. Wie kann diese aussehen?

Plogstieß: Frühzeitiges Erkennen und Behandeln psychischer Probleme spielen eine große Rolle. Bestimmte Einschnitte und Lebenskrisen, wie eine Trennung, eine schwere Erkrankung oder der Verlust eines nahestehenden Menschen, können Auslöser einer psychischen Krise sein. Damit sich daraus keine chronische Erkrankung entwickelt, sollten sich Betroffene nicht scheuen, zeitnah professionelle Hilfe zu suchen, die bei der Verarbeitung und Bewältigung des Geschehenen unterstützt.

Der Psychotherapie-Informationsdienst hilft bei der Suche nach anerkannten Psychotherapeuten

Stand: 02/12
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