Dienstag, 4. Juni 2013

Wenn ernährungspolitische Maßnahmen eher schaden als nutzen

Die gesundheitspolitischen Empfehlungen zur gesunden Ernährung führen nicht in allen Fällen zur Erhaltung der Gesundheit. Besonders der Rat einer erhöhten Ballaststoffzufuhr oder die Empfehlung, mit Zucker zu sparen, könnten mitverantwortlich sein für die Zunahme gastrointestinaler Störungen. Gleichzeitig können auch verfrüht angewandte Diagnosemethoden auf die falsche Fährte führen.

In der Pressemitteilung "Ernährung: Obst und Gemüse als Krankmacher?" behauptet der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop, dass ernährungspolitische Maßnahmen wie „IN FORM“ oder die „5-am-Tag“-Kampagne der Volksgesundheit eher schaden als nutzen (1). So bemängelt Knop unter anderem, dass der staatliche Aufruf zu einem höheren Obst- und Gemüseverzehr für kollektive Verdauungsprobleme sorgen könne. Er stützt sich dabei auf die Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus den Jahren 2000 bis 2011, in der eine eklatante Zunahme diffuser Magen-Darm-Probleme ausgewiesen ist.

In der Tat ist Ähnliches auch aus der niedergelassenen Ernährungsberatung zu vermelden. Vermehrt werden Patienten mit chronischen Verdauungsproblemen, am häufigsten mit breiigen Stühlen und Blähungen, von ihren Hausärzten der Beratung zugewiesen. Oft wird eine Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption vermutet. Nicht selten wird bei der Diagnostik jedoch mit ungewöhnlich großen Mengen des verdächtigten Auslösers geprüft. Die betroffenen Patienten rechtfertigen sich oft damit, dass sie sich doch gesund ernähren würden. Immer häufiger fällt dabei der scheinbar verschämte Nachsatz, dass die Symptome immer dann abklingen, wenn das Konsumierte gemeinhin als ungesund gilt.

Viele dieser Verdauungsprobleme sind der beschleunigten Magen-Darm-Passage durch ein Übermaß an schwer- oder unverdaulichen Nahrungsbestandteilen geschuldet. Neben dem als gesund angepriesenem Obst- und Gemüseverzehr kommt insbesondere auch die Vorliebe für Fruchtzucker-gesüßte Getränke als Ursache für gastrointestinale Beschwerden in Betracht. Nicht selten decken Patienten ihren Flüssigkeitsbedarf durch Getränke, die nicht mit für die Hersteller teurem Zucker, sondern mit günstigeren Austauschzuckern gesüßt sind. Zudem fällt auf, dass viele Patienten die Angst vor falschem Essen umtreibt. Die Furcht vor Fehlverhalten am Esstisch sowie der zunehmende Stress in Freizeit und Beruf sind ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Entwicklung von Verdauungsstörungen und anderen gesundheitlichen Problemen.

Bevor bei Verdauungsstörungen teure Diagnosetests auf Intoleranzen zum Einsatz kommen, wäre es sinnvoller, die Betroffenen für einige Zeit vom Weg der „gesunden Ernährung“ abkommen und sie das essen zu lassen, was ihnen bekommt. Bleiben die Probleme trotzdem bestehen, ist eine medizinische Abklärung notwendig.

(1) Knop, U: Ernährung: Obst und Gemüse als Krankmacher? Pressemitteilung vom 23.05.2013: http://www.echte-esser.de/Presse/Aktueller-Pressetext.html. Zuletzt abgerufen am 04.06.2013.


Redaktion: Dipl.troph. Marianne Reiß